Ich bin unschuldig
falsch geschrieben haben und wir keine Pinguine malen durften. Ich wollte so gern einen Pinguin mit einer Fliege malen. Die waren so süß.«
»Dazwischen, erinnerst du dich an eine große hübsche Frau mit langen roten Haaren, die zu einem Vorstellungsgespräch gekommen ist, weil sie sich auf die Stelle als Kindermädchen beworben hatte?«
Eine Bewegung in den Hainbuchen.
»Ja«, sagt Millie.
Ein Eichhörnchen schwingt sich auf das Futterhäuschen unter dem Apfelbaum. »Ja?«
»Ja. Sie war nett. Sie hat gesagt, sie könnte Rad schlagen, aber sie hat geschummelt. Daddy hat ihr mit der neuen Nespresso-Maschine einen Kaffee gemacht und die Milch anbrennen lassen.«
Ich plumpse schwer auf die Bank. Irgendwo in einem Garten bellt ein Hund.
Wie ferngesteuert spreche ich mit Robin. Sie wollen irgendwann kommen. Sie erwarten etwas. Robin muss irgendwann irgendwo sein.
Wenn Ania hier war und Philip sie empfangen und ihr einen Kaffee gemacht hat, warum hat er dann nichts gesagt?
Robin spricht noch, und ich muss reagieren, wie es erwartet wird, denn jetzt hat sie sich verabschiedet und aufgelegt.
Ich wähle Jacks Nummer. Es klingelt nicht mal, ich werde direkt mit der Voicemail verbunden.
Ich lege das Telefon ab und gebe ein lautes Stöhnen von mir.
»Was gibt’s?«
Philip steht in meinem Morgenmantel in der Küchentür, die nassen Haare aus dem Gesicht gestrichen, die Wangen rosa und frisch rasiert. Feuchte dunkle Fußabdrücke auf den Treppenstufen im Flur. »Alles okay?«
Ich bemühe mich um ein Lächeln. Er wendet mir den Rücken zu und öffnet Schränke, sucht Bratpfanne und Besteck zusammen. »Ich bin Marta auf der Treppe begegnet«, sagt er über die Schulter. »Ich habe ihr dreißig Pfund gegeben und sie für heute aus dem Haus geschickt, damit wir ungestört sind. Und jetzt mache ich meiner Frau Frühstück.« Er hat den Kopf in den Kühlschrank gesteckt, die Arme links und rechts ausgestreckt, als wollte er die Beinmuskulatur dehnen. »Nicht dass hier viel drin wäre: Eier, aasiger Käse, eine Zwiebel, Möhren … Omelette à la Philippe.«
Während er die Sachen rausholt, schneidet er mir eine Grimasse, als wollte er sagen: »Na, bin ich nicht clever?« Ich bringe ein »Bist du nicht clever?« heraus und trete zu ihm, und während er Butter schmilzt und die Zwiebel anbrät und Eier aufschlägt, hole ich Brot aus der Tiefkühltruhe und löse zwei Scheiben ab, um sie zu toasten. Ich krame die Nespresso-Kapseln heraus, fülle den Wassertank der Maschine und mache mich an den angebrannten Resten am Boden des Milchaufschäumers zu schaffen. Ich würde gern nachdenken, aber mein Gehirn rast, wirbelt, als hätten die Räder keinen Bodenkontakt.
Auf dem Tisch klingelt und vibriert mein Handy.
»Geh nicht ran«, sagt Philip. »Ruf später zurück. Schau.« Er zeigt mir seine leeren Hände, die leeren Taschen meines Morgenmantels. »BlackBerry-frei!«
»Du hast es wirklich oben gelassen?«
»Na ja, nicht ganz. Es liegt im Flur, in Hörweite, aber ich habe es nicht in der Hand, drücke es nicht an meinen Busen. Kleine Schritte, Gabs, kleine Schritte.«
Ganz der alte, selbstironische Philip.
»Okay.«
Ich setze mich und esse meine Eier, höre überdeutlich das Kratzen meiner Gabel auf dem Porzellan, versuche mich normal zu verhalten. Ich erzähle ihm, dass Millie und Robin irgendwann in den nächsten zwei Stunden kommen. Ich beobachte sein Gesicht. Ist er oben ans Telefon gegangen und weiß es längst? Wenn ja, dann verbirgt er es gut. Er scheint sich zu freuen – seine Miene strahlt, hellt sich auf. Sein Gesicht erinnert mich an einen Ballon, der mit Luft gefüllt wird, und an das Seepferdchen aus Papier, das Millie zum Geburtstag geschenkt bekam und das im Wasser zu seiner zehnfachen Größe anschwoll. »Mein kleines Mädchen«, sagt er.
»Ist es möglich, dass Ania Dudek im letzten Sommer zu einem Vorstellungsgespräch hier war?«, frage ich plötzlich. »Die Tote. Bist du dir sicher, dass du nicht eine Kleinigkeit vergessen hast, dass sie doch hier war …?«
»Nein. Nein, natürlich nicht. Warum?«
»Ach, nichts. Nur was, was Millie gesagt hat.«
Er würde sich erinnern, wenn er ihr Kaffee gemacht hätte und sie ein Rad geschlagen hätte oder auch nicht.
Als schließlich sein BlackBerry im Flur zwitschert, sieht er mich mit zur Seite geneigtem Kopf an, um seinen Mund zuckt es. Ich nicke. Ich tue, als würde ich zögern. »Geh schon«, sage ich. »Du willst doch rangehen.« Er geht zur Spüle,
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