Ich bin unschuldig
ich anfangen soll. Eigentlich müsste ich ihm alles erzählen wollen. Es müsste aus mir herausbrechen wie ein Sturzbach, und ich müsste weinen, und er müsste mich trösten und sich von Neuem Vorwürfe machen, dass er nicht hier war. Er wird entsetzt sein, wenn er die Einzelheiten hört – wie sehr die Polizei mich eingeschüchtert hat, wie unheimlich Perivales Obsession war, wie bedrohlich der Stalker, wie verdammt einsam eine U-Haft-Zelle in der Nacht. Am Anfang habe ich mir diesen Augenblick ausgemalt, habe mir Philips Schuldgefühle vorgestellt und dass er mich dann womöglich ein ganz klein wenig mehr liebt. Doch etwas Grundlegendes hat sich verändert. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Es fühlt sich an, als würde ich auf der Stelle treten.
»In der Arbeit lief es nicht so besonders«, sage ich schließlich.
»Ich dachte, sie hätten dir ein paar Tage freigegeben, um den Schreck zu überwinden?«
Er scheint wirklich keine Ahnung zu haben. Vielleicht habe ich zu schlecht von ihm gedacht. Ich lache halb. »Ich weiß nicht, ob ich es so nennen würde.«
Ich berichte von Terris hilflosem Gestammel am Telefon, davon, dass Sachen an die Presse durchgedrungen sind, dass sie mich nicht zurückrufen, dass ich überzeugt bin, dass sie mich ganz elegant rausgeschubst haben. Während ich rede, merke ich, dass das gar nicht das Wichtigste ist, doch im Augenblick ist es leichter, als ihm etwas anderes zu erzählen.
»Das können sie nicht«, sagt er.
»Jeder ist ersetzbar, Philip.«
»Keine Sorge, das fechten wir durch. Ich setze mich gleich mit Steven bei Withergreens in Verbindung. Wenn die dir deinen Job nicht zurückgeben, ist das eine ungerechtfertigte Entlassung und üble Nachrede. Gegen Steven haben sie keine Chance. Er sorgt dafür, dass Terri innerhalb von einer Woche fliegt.«
Philip, wie er leibt und lebt. Er ist wieder da und kämpft für mich. Warum geht es mir nicht besser? Außerdem will ich nicht, dass Terri rausfliegt. Seine Reaktion ist unglaublich aggressiv, ohne jegliches Einfühlungsvermögen, so ganz er.
Er streichelt mein Haar. Ich muss gegen den Instinkt ankämpfen zurückzufahren.
»Erzähl mir von deiner Reise«, sage ich.
Er lehnt sich zurück und zieht an dem Kissen, um es bequemer zu haben. Er spricht über die Eröffnung von Kaufpositionen und Verkaufpositionen und wie wichtig es im derzeitigen Markt ist, handelsorientiert zu sein, über Treffen mit Vorstandsvorsitzenden und Optikfirmen und die Auswirkungen von Betrug und den Absturz von Anteilen. Es ist ein bisschen wie sein Sex. Auch jetzt ist er einfühlsam und rücksichtsvoll und erzählt mit Aufmerksamkeit.
»Hast du interessante Menschen getroffen?«, frage ich. »Irgendwas besonders Gutes gegessen?«
»Ein paar noble Restaurants, sehr viel Essenseinladungen, hauptsächlich international.« Er zuckt die Achseln, und einen Augenblick überlege ich, wie Jack geantwortet hätte – wahrscheinlich mit einer detaillierten Beschreibung eines Tofu Mie Goreng.
»Mein armer Schatz«, sagt er.
Mein armer Schatz. Schon wieder.
Philip gähnt und schüttelt den Kopf, wie um die Ohren frei zu bekommen. Die Augen hat er halb geschlossen. Mehr über das, was ich durchgemacht habe, wird er mich nicht fragen, geht mir da auf. Seine Hand fährt über mein Bein. Ich frage mich, ob ich ihm jetzt von dem Stalker erzählen soll, von I’ve Been Watching You 2 , von BIDAVIS auf dem Polizeirevier, da klingelt mein Handy. Es steckt in der Tasche meiner Jeans und vibriert auf dem Holzboden, als lauerte darin eine lebendige Kreatur.
»Lass es«, sagt Philip.
»Es könnte Millie sein.«
Ich recke mich, schiebe die Hand in die Hosentasche und halte mir das Handy gerade rechtzeitig ans Ohr.
»Gaby!«
»Oh, hallo.« Ich hätte nicht rangehen sollen. Ich will jetzt nicht mit Jack reden.
»Ich muss Sie sehen«, sagt er. »Kann ich vorbeikommen. Es ist etwas Wichtiges passiert.«
Ich hänge halb aus dem Bett, die Matratze drückt mir in den Magen, und ich rutsche noch ein wenig weiter und stemme den Ellbogen in den Boden, um das Gleichgewicht zu halten. »Das Timing ist nicht ideal«, sage ich fröhlich. »Mein Mann ist gerade von einer Geschäftsreise zurückgekommen. Kann es warten?«
»Er ist wieder da? Philip ist wieder da? Nein, es kann nicht warten. Es ist wirklich dringend.«
»Dringend? Ehrlich?« Ich drehe mich um und sehe Philip ungläubig an. Er verdreht die Augen.
»Okay, also. Dann erzähl ich’s Ihnen schnell. Ich war gerade
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