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Ich bin unschuldig

Ich bin unschuldig

Titel: Ich bin unschuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Durrant
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rufen?«
    »Ja, natürlich.« (Ich kümmere mich um solche Sachen im Haus. Ich bin die beste Mängellisten-Abarbeiterin aller Zeiten.)
    Er hockt sich auf die Bettkante. »Du siehst müde aus. Erledigt. Nicht zu fassen, dass du danach noch zur Arbeit bist. Und deine armen Arme …« Er dreht sie um und fährt mit den Fingern über die Kratzer.
    »Unterholz. Brombeeren und so.«
    »Es war bestimmt schrecklich, oder?«
    »Es war ein Schock.«
    Ich erzähle ihm, was passiert ist. Ich gehe es noch einmal durch. Reden hilft. Worte haben ihren eigenen Charakter, ihren eigenen Schwung. Ich merke, dass ich mich schon gar nicht mehr daran erinnern kann, wie es war, sie zu finden. Ich konzentriere mich darauf, den Ablauf der Ereignisse zu sortieren und ob das, was ich schon gesagt habe, von der ursprünglichen Geschichte abweicht. Ich rede nicht viel über die Tote, erzähle ihm aber, dass ich beinahe das Handy fallen gelassen hätte und Mühe mit dem Wählen hatte – denn das findet er vermutlich witzig. Ich übertreibe die lustigen Sachen: PC Morrow und ihr Schinkensandwich. So was haben wir immer gemacht – den Witz in schrecklichen Dingen gesehen, das Groteske gesucht. Ich erzähle ihm, dass ich den Notruf gewählt habe und wie peinlich es mir war, dass ich sie zum »Toast Rack « dirigiert habe, wie ein Immobilienmakler. Er gluckst, ein wenig jedenfalls, ein abwesendes abgehacktes Schlucken irgendwo hinten im Hals. Er tut es noch einmal, als ich beichte, dass ich dachte, Morrow wollte tatsächlich ein Autogramm. Aber ich hatte gedacht, er würde mehr lachen. »Gott!«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Zum Teufel. Was für ein Albtraum.«
    Er stellt ein paar Fragen. Wer war sie? Was meint die Polizei? »Ihre armen Eltern«, sagt er. »Vermutlich ist sie nicht von hier?« Ich habe von einem »Mädchen« gesprochen, nicht von einer »Frau«, und er denkt wohl an einen Teenager oder eine junge Erwachsene. Vermutlich hat er eine Ausreißerin vor Augen. Ich könnte es klarstellen, doch jetzt langweile ich ihn. Seine Gedanken sind schon mit »unserer Gegend« befasst, mit Sicherheitsaspekten und dem Anstieg der Straftaten in letzter Zeit. Seit Weihnachten hat es vier Raubüberfälle gegeben. Der Lehrer-Eltern-Ausschuss an Millies Schule informiert uns per E-Mail über alle unerfreulichen Vorfälle: Wenn Frauen am hellen Tag Schmuck von Handgelenken und Fingern gerissen wird; wenn Seitentüren mit Brechstangen eingeschlagen werden; wenn Babysitter belästigt werden und Männer mit Kapuzenpullis in Gassen herumlungern. Jedes Mal, wenn ich eine Geschichte höre, hoffe ich heimlich, Philip nimmt sie zur Kenntnis und fügt sie im Geiste einer Liste hinzu. Ich würde gern in unser Wochenendcottage nach Peasenhall ziehen, um Millie in die Dorfschule zu schicken, Hühner und Bienen zu halten, zu reiten und Marmelade zu kochen. Er hat mir einen »Fünfjahresplan« versprochen. Wenn er also über die Gegend redet oder Zweifel oder Ängste zum Ausdruck bringt oder Besorgnis über die Kriminalität in London, dann weiß er genau, was ich denke. Ehrlich, ist das nicht der Katalysator, den wir brauchen?
    So leicht wie möglich, so leicht, als würden märchenhafte Mondstrahlen von meinen Lippen fallen, sage ich: »Peasenhall. Peasenhall hat eine sehr niedrige Tötungsrate.«
    Philip lächelt zärtlich, sagt jedoch nichts. Er hat angefangen, sich anzuziehen – Baumwollhose und Hemd mit Buttondown-Kragen –, und nach einem Augenblick strampele ich die Daunendecke weg und werfe die Türen meines begehbaren Kleiderschranks auf. Er wurde von einer Spezialfirma eingebaut, die sich um Stauraum für unsere Besitztümer kümmert. Unser Haus ist voller Dinge, die von Spezialfirmen gebaut wurden. Es gibt wahrscheinlich auch eine Spezialfirma, die sich um unser Sexleben kümmern würde, wenn wir sie nur fänden. Ich wage nicht, mir auszumalen, was sie für uns bauen würde.
    »Das ganze Zeug«, rufe ich über die Schulter. »Ich brauche all das Zeug nicht.«
    Die heimliche Fortsetzung des Gesprächs über Peasenhall, das wir nicht führen.
    »Wie viele Paar Schuhe?«, fragt Philip und zieht einen dunkelgrauen Kaschmirpullover mit V-Ausschnitt über. »Und an wie vielen ist noch das Preisschild?«
    »Das ist nicht meine Schuld. Die sind alle für die Arbeit.« Ich schlängele mich in dieselbe Jeans, die ich immer trage. Als Philip nichts darauf sagt, füge ich hinzu: »Wenn ich sie nicht bräuchte, würde ich sie alle rausschmeißen.«
    Als wir

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