Ich bin unschuldig
ich bewacht oder eher beobachtet werde, aber ich werde den Teufel tun, danach zu fragen.
Einen Großteil der Zeit habe ich es im Hinterkopf, das Gefühl, dass die Polizei mich für etwas will oder braucht, doch es gibt Augenblicke, da vergesse ich es ganz. Sooft ich mich dabei erwische, dass ich an die Sache denke, richte ich meine Gedanken auf etwas anderes.
Meine entsetzliche Feuerprobe bei Mornin’ All ist auch von der Tagesordnung gestrichen, was, fürchte ich, hauptsächlich einem Massaker auf einem Uni-Campus im Mittleren Westen der USA , der erneuten Rezession hier bei uns und dem wirtschaftlichen Chaos in Europa zu verdanken ist. Am Mittwoch hat Terri gesagt: »Okay. Direktive von oben. Wir sollen das Licht am Ende des Tunnels sein. Tanzbären, Zuckerwatte, Cupcakes – ihr wisst Bescheid.« Bei der ganzen Hektik, die es bedeutet, um die Schauspielerin aus Hollyoaks, die Dancing on Ice stürmt, zu uns zu holen, war meine Entdeckung einer Leiche rasch Schnee von gestern. Gott sei Dank.
Auch persönlich hat es keine Nachfragen von Journalisten mehr gegeben, keine Fotografen. Philips Eltern sind am Mittwoch zu ihrer Kreuzfahrt aufgebrochen, und als ich mit Margaret gesprochen habe, während sie gerade am Packen war, habe ich ihr gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen, es sei nur der typische Medienzirkus gewesen. Wenn sie zurückkämen, habe ich gesagt, wäre alles vorbei.
»Sag uns Bescheid, wenn wir irgendetwas tun können.«
»Selbstverständlich. Und jetzt genießt eure Reise.«
Am Donnerstag hat Jude Morris angerufen, angeblich, um über den Fundraising-Abend in der Schule zu reden. Sie hatte vergessen zu fragen, ob ich für das Quiz vor der Auktion »an einem Tisch sitzen« oder ob ich mich mit ihr und einigen anderen vom Lehrer-Eltern-Ausschuss vor meinem Auftritt im Hintergrund halten möchte. Ich erklärte ihr, niemand habe mich eingeladen, »an einem Tisch zu sitzen«, und der Lehrer-Eltern-Ausschuss klinge gut. Besonders wenn sie dabei sei.
Dann fragte sie: »Alles in Ordnung?«
»Ja. Gut. Ruhiger. Danke.«
»Es ist nur, dass Rachel Curtis, als sie am Dienstag den Hund ausführte, gesehen hat, wie du aus einem Polizeiauto gestiegen bist.« »Polizeiauto« sprach sie aus, als ginge es um etwas so Außergewöhnliches wie eine aufgemotzte extralange bonbonrosa Stretchlimousine.
»Oh«, sagte ich. »Verflixt! Ja. Das war ein Ding.«
»Was ist denn los?«
Ich hätte es ihr erzählen sollen. Ich hatte versprochen, nicht zu lügen. Und wenn ich sie zu meiner neuen Freundin wollte, dann wäre das die Gelegenheit gewesen. Doch der Gedanke, es könnten noch irgendwelche Informationen nach außen dringen, die Produktionsfirma würde irgendetwas mitkriegen, es würde zu mehr aufgeblasen werden, als es war …
»Es ist alles ganz schön stressig«, sagte ich vage.
»Bestimmt … wenn ich irgendetwas tun kann.«
»Ich erzähle dir alles bei einer Flasche Wein, wenn die Lage sich ein wenig beruhigt hat.« Kam ich damit vorerst durch?
»Natürlich. Du Arme. Wir telefonieren mal wieder.«
Das Mittagessen besteht aus Kürbis-Ingwer-Suppe mit selbst gebackenem Roggen-Sauerteig-Brot, wir sitzen in einem gemütlichen Naturkostladen in der North Laine. Unser Tisch, honigfarben lackiertes Kiefernholz, ist klebrig. Salz- und Pfefferstreuer – einer schwarz, einer weiß – sind Hälften eines nackten Körpers, die, wenn man sie zusammenschiebt, ein Ganzes ergeben.
»Ist das erotisch?«, frage ich Philip.
Er rümpft die Nase. Seine Augen sind rot gerändert. Die Heuschnupfensaison ist im Anmarsch. »Ein bisschen hermaphroditisch.«
Ich liebe ihn immer noch, trotz allem. Ich denke das auf losgelöste Art, wie aus großer Höhe. Tief in meinem Bauch ballt sich etwas ganz fest zusammen. Es war das Naserümpfen und das »-ig« am Ende von hermaphroditisch, ein kleiner Spleen, die das ausgelöst haben. Heißt es nicht, in einer guten Beziehung würden die Partner miteinander verschmelzen, eins werden? Was hat Platon gesagt? »Liebe ist die Sehnsucht nach Ganzheit.« Es hat Zeiten gegeben, Jahre, da habe ich nicht mehr bemerkt, dass ich ihn liebte. Wenn doch erwiderte Liebe so intensiv empfunden werden könnte wie Liebe, die nicht erwidert wird, wie glückselig hätte ich mich geschätzt. Jetzt da er sich zurückgezogen hat, kann ich ihn deutlicher sehen, werde mit einem süßen Schmerz an alles erinnert – sein Gesicht, seine Haut, seine Seele –, worin ich mich ursprünglich verliebt habe. Es ist
Weitere Kostenlose Bücher