Ich bin verliebt in deine Stimme
Schreibmaschine herumzuklopfen.
Eine Idee wurde in Ralfs Kopf geboren, eine höchst verrückte Idee …
Das verdammte Telefon ließ ihn zusammenfahren. Die Sekretärin blickte ihn fragend an, ehe sie abhob. Er schüttelte verneinend den Kopf und setzte sich ab ins Atelier. Er öffnete die Tür, sah die begonnene Arbeit an der Puppe, winkte jedoch ab, als sich seine in kleinen Gruppen herumstehenden und plaudernden Mitarbeiterinnen wieder um ihn scharen wollten.
»Schluß für heute! Ich bin nicht mehr in der richtigen Stimmung. Es klafft da in meiner Vorstellung für das Kleid eine Lücke, die ich noch nicht schließen kann. Wir machen ein andermal weiter.«
Das Atelier leerte sich. Zurück blieb nur Ralf. Sinnend stand er vor der Puppe und starrte auf die Seide und den Tüll. Das weiche Fell des Weißfuchses lag auf einem Hocker daneben.
Und plötzlich fing Ralf wieder an zu arbeiten. Er machte einen Schritt zurück, einen nach links, zwei nach rechts, klemmte das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger, bei allem die Puppe nicht aus den Augen lassend.
Dann kniete er vor der Puppe und wühlte in den Stoffen, suchte und schob beiseite, probierte, steckte mit Nadeln Behelfsnähte, trat abermals zurück und besah das Ganze, wie ein Maler seine Farben betrachtet, verwarf einige Nähte, löste sie wieder, steckte sich eine ganze Reihe überflüssig werdender Nadeln zwischen die Lippen und schuf mit seinen schlanken Fingern neue Falten und Formen, neue Linien und Farbkompositionen. Mit einem Zentimeterband um den Hals und dunkelblauer Kreide in der Linken saß er dann vor der Puppe und drapierte, maß ab, strichelte mit der Kreide Ansätze und Passen, Falten und Kräuselnähte und vergaß die Welt um sich herum, vergaß Ort und Zeit.
Ein Kleid entstand – nein, eine Robe wie noch nie! Es war eine Form gewordene Liebeserklärung an die Schönheit eines Mädchens.
Ein Wirklichkeit gewordener Traum. Das Modell ›Inge‹.
8
Postrat Dr. Franz Senger staunte nicht schlecht, als ihm seine Vorzimmerdame eine Visitenkarte auf den Schreibtisch legte, da solche Requisiten im Amtsverkehr eigentlich nicht üblich sind. Der Postrat las Namen und Beruf auf der Karte:
RALF PETERMANN
Modeschöpfer
»Modeschöpfer?« fragte er die Vorzimmerdame, die sich bis dahin jedes Wortes enthalten hatte. Sie zuckte auch jetzt nur stumm die Achseln. »Was haben wir mit Modeschöpfern zu tun, Frau Maler?«
Irgend etwas Undefinierbares lag in ihren Augen, das aber jetzt deutlich wurde, als sie erwiderte: »Er sieht sehr gut aus, Herr Postrat.«
Mit der Frage des Postrates hatte diese Antwort allerdings nichts zu tun.
»Was will er, Frau Maler?«
»Er sprach von einer Aktion seiner Firma, die irgendwie auf eine Spende hinausläuft. Ganz habe ich ihn nicht verstanden. Er will es Ihnen selbst vortragen.«
»Auf eine Spende hinausläuft?« wiederholte mißtrauisch der Postrat, ein Beamter alter Schule, ein heute also ziemlich selten gewordenes Exemplar.
»Ja.«
»An die Post?«
»An eine Person der Post.«
»Sie hatten nicht den Verdacht, daß es auf Bestechung hinausläuft?«
»Nein, das nicht, Herr Postrat. Er sieht sehr gut aus …«
Ein nervöses Zucken im Gesicht des Postrats verriet, daß ihm diese Nachricht langsam auf die Nerven ging.
»… absolut seriös, meine ich«, ergänzte deshalb Frau Maler rasch.
Dr. Senger räusperte sich.
»Merken Sie sich, Frau Maler, je seriöser sie aussehen, desto …«
Den Rest schenkte er sich. Er winkte nur noch vielsagend mit der Hand.
»Schicken Sie ihn herein.«
Und dann kämpfte Ralf Petermann von Anfang an auf verlorenem Posten. Erstens sah er wirklich viel zu gut aus – ein schweres Handikap für ihn in den Augen eines Leidtragenden, der von seiner Frau geschieden war, weil sie ihn, ehe er dahintergekommen war, vier Jahre lang mit einem ›sehr gut aussehenden Mann‹ betrogen hatte. Zweitens war Ralf auch noch entschieden zu gut angezogen. Zu Dr. Sengers ›Überzeugungen‹ gehörte es nämlich, seine Klamotten von der Stange zu kaufen. Alle, die das nicht taten, waren in seinen Augen ›Fatzkes‹.
»Herr Postrat«, begann Ralf Petermann, der das Abseits nicht ahnte, in dem er sich schon befand, frohgemut, »meine Firma hat Grund, sich für einen gewissen Service, den sie von Seiten Ihres Amtes erfährt, endlich erkenntlich zu zeigen. Das war bisher nicht üblich, ich weiß das, aber warum soll da nicht auch einmal der Anfang gemacht werden?«
Dr. Senger ergriff mit zwei
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