Ich bin verliebt in deine Stimme
langsam zum Hals heraus. Aber morgen? Begleitest du mich dann wieder?«
»– – – –«
»Prima! Wir sind doch jetzt schon fast ein Gespann, das zusammengehört. Leid tut mir nur, daß du tagsüber immer an deinem Klappenschrank sitzen mußt.«
»– – – –«
»Hast du schon gegessen?«
»– – – –«
»Mir bringt meine Wirtin Heringe. Phantastisch. Sie steht neben mir und läßt sich kein Wort entgehen, damit sie mich richtig umsorgen kann. Ich bin ihr sehr dankbar.«
»– – – –«
»Auch in deinem Namen, ja, ich werd's ihr sagen.«
»– – – –«
Die Tür klappte leise. Frau Wohlrabe hatte nun doch das Feld geräumt.
»Jetzt ist sie weg, Petra«, sagte Peter Mann. »Laß dir nur noch rasch sagen, daß ich unheimlich auf dich stehe. Es ist Wahnsinn! Noch vor zehn Minuten hatte ich Kopfschmerzen zum Verrücktwerden. Und jetzt? Jetzt sind sie wie weggeblasen. Soll mir einer sagen, daß das kein Wunder ist! Es spricht Bände!«
»– – – –«
»Du auch, toll! Mach's gut! Bis morgen. Ich melde mich.«
Arbeit lenkt ab.
Ralf Petermann entsann sich dieses alten Spruchs und handelte danach. Er stürzte sich in die Arbeit. Tagelang war er früh der erste, der die Räumlichkeiten seiner Firma unsicher machte, und abends der letzte, der sie verließ. Seine Sekretärin hatte den Auftrag, ihn nach außen hin völlig abzuschirmen. Auch Telefonanrufe mußte sie ihm nach Möglichkeit vom Hals halten, nur die wichtigsten durfte sie zu ihm durchstellen.
An einem Montagmorgen fragte sie: »Herr Petermann, was gilt für diese Woche? Totale Abschirmung, wie bisher, oder Aufhebung des Beschlusses?«
»Mehr denn je!« rief er. »Heute jedenfalls noch!«
Und schon eilte er ins Atelier, wo er für die Sekretärin den halben Vormittag verschwunden blieb.
Was ihn so umtrieb, war eine Inspiration, deren er sich in einigen schlaflosen Stunden der vergangenen Nacht hatte erfreuen dürfen.
So stand er nun vor einer Schneiderpuppe und probierte an ihr ein neues Abendkleidmodell aus. Inmitten eines Gewirrs von Stoffen, von Tüll, Taft, Seide, Brokat, Organdy, Georgette und Spitzen entwarf er mit kühner Phantasie, ohne Vorlage, aus dem Kopf ein Modell, einen Traum aus Taft und Tüll, verziert mit weißen Spitzenrosen.
Der Ort des Geschehens war von Ralfs Mitarbeiterinnen umlagert, die dem schöpferischen Akt voller Bewunderung beiwohnten. Sie waren ganz Auge und Ohr.
»Ein gutes Kleid«, sagte Ralf, »muß Atem haben. Es muß selbst leben, nicht erst etwa dadurch, daß es angezogen wird, versteht ihr? Es muß Eleganz, Einmaligkeit, Zauber ausströmen, muß eine Sinfonie von in Formen umgesetzter Liebe sein. Dann erst ist es ein Kleid und kein Fetzen. So gesehen, lebt die Menschheit leider in einer Welt von Fetzen. Unsereiner steuert dagegen an, aber wir sind zu wenige. Auch der exquisite Geschmack müßte bei den Frauen weiter verbreitet sein.« Er wandte sich nach hinten. »Bitte Seide, Brokat und Weißfuchsstreifen …«
Beflissene Hände reichten ihm die kostbaren Materialien, und wieder stand er vor der Puppe, mit gerunzelter Stirn und verschleierten Augen, als blicke er nach innen, und dann glitten seine Hände über die Figur und drapierten die Stoffe in kühnen Falten um den Körper.
Vom Rascheln der Textilien abgesehen, war es mucksmäuschenstill im Raum. Man wagte kaum zu atmen, geschweige denn zu sprechen, wenn der Chef ein neues Kleid schuf – ja: schuf! Jede andere Bezeichnung wäre dem, was vorging, nicht gerecht geworden.
Plötzlich zerrissen schrille Mißtöne die geheiligte Stille. Das Telefon im Büro nebenan hatte angefangen zu läuten und hörte nicht mehr auf, was nur darauf zurückzuführen sein konnte, daß die Sekretärin nicht an ihrem Platz war. Auch Chefsekretärinnen, selbst wenn sie Engel sind, können eben manchmal ein menschliches Rühren nicht unterdrücken. Das Telefon lärmte zum fünften oder sechsten Mal.
Mit gequältem Gesichtsausdruck fragte Ralf alle, die ihn umstanden: »Geht denn keiner ran?«
Nur Edith Kühnemann, die sich mit Kündigungsabsichten trug, stürzte daraufhin nicht zur Tür. Den Wettlauf gewann merkwürdigerweise die älteste der Schneiderinnen. Als sie zurückkam, sagte sie: »Ein Herr Mann ist am Apparat.«
Gestört in seinem schöpferischen Akt, tadelte Ralf Petermann sie: »Wußten Sie nicht, daß ich nicht zu sprechen bin?«
»Doch, aber der Herr sagte …« Sie verstummte.
»Was sagte der Herr?« fragte Petermann
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