Ich bin verliebt in deine Stimme
Petra wünschte sich, daß der Abend nie zu Ende gehen möge.
»Schön«, sagte sie, den Kopf an seine Schulter kuschelnd.
»Schön«, pflichtete er bei.
»Bist du glücklich, Peter?«
Er nickte. »Du auch?«
»Und wie!«
»Siehst du, so ist das Leben, wir zwei fühlen uns wie im siebten Himmel, und nicht weit von hier sitzt einer zwischen seinen vier Wänden und bläst Trübsal.«
Petra löste sich von Peters Schulter und blickte ihn von der Seite an. »Wer?«
»Mein bester Freund.«
»Was hat er?«
»Was wird er schon haben? Liebeskummer!«
»Ach nein, soweit war's ja noch gar nicht.«
»Wie, soweit war's noch gar nicht? Was heißt das? Ich verstehe dich nicht.«
Die Glut der Zigarette, die Peter rauchte, näherte sich seinen Fingern. Er schleuderte die Kippe über die Reling und blickte dem durch die Luft segelnden feurigen Punkt nach, der jäh erlosch, als er im Wasser verschwand. Dann sagte er, sich erneut Petra zuwendend: »Der beißt zum erstenmal bei einer auf Granit.«
»Will sie nichts von ihm wissen?«
»Anscheinend. Er kommt überhaupt nicht an sie ran. Laufpaß geben und so erübrigt sich also für die von vornherein.«
»Ein standhaftes Mädchen.« Sie blickte ihn schelmisch an. »Standhafter als ich.«
Rasch zog er sie an sich, küßte sie, ließ sie wieder los.
»Du kennst sie.«
»Ich?!« rief Petra überrascht.
»Ja.«
»Sag, wer!«
»Deine Freundin Inge Westholdt.«
»Inge?!« rief Petra noch überraschter.
»Ja.«
»Davon hat sie mir ja noch gar nichts erzählt!«
Peter schüttelte den Kopf.
»Es gab auch keinen Grund dazu. Ich sagte dir doch, daß die ganze Affäre nur auf seiner Seite angesiedelt ist.«
In Petras Gehirn vollzog sich ein kleiner Erinnerungsprozeß. Sie war ein hübsches und charmantes, jedoch auch sehr oberflächliches Mädchen. Jenes Telefongespräch beim Friseur mit Inge hatte sie eigentlich längst vergessen, nun aber erinnerte sie sich.
»Mir geht ein Licht auf!« sagte sie plötzlich.
»Was meinst du?«
»Die Geschichte mit den beiden steht doch in irgendeinem Zusammenhang mit unserer Bekanntschaft?«
Ein Geständnis war fällig. Peter konnte sich dem nicht mehr länger entziehen. Er nickte.
»Du hast recht«, begann er. »Das war so …«
Er verschwieg ihr nichts, erzählte ihr auch die Dinge, die ihn nicht im besten Licht erscheinen ließen: das Spiel mit falschen Karten zum Beispiel, das begann, als er mit Petra an jener Straßenecke, um die sie herumgestürmt war, zusammenprallte. »Da befand ich mich auf dem Weg zu euch ins Fernamt«, sagte er, »um ein Interview mit dem Basketballstar Inge Westholdt zu machen – alles nur im Auftrag meines Freundes.«
»Dann bot sich dir aber die Gelegenheit, mich auszuhorchen, und das Interview erübrigte sich dadurch.«
Das kam ziemlich bitter aus Petras Mund, so daß er sie rasch wieder in die Arme nahm und sagte: »Du wirst doch nicht auf falsche Gedanken kommen, Liebes. Glaub mir, ich lernte dich kennen, und von der ersten Minute an wußte ich, daß dabei etwas passiert war, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Von nun an standest nur noch du für mich im Vordergrund, alles andere sank herab zur Bedeutungslosigkeit.«
»Stimmt das auch?«
»Ich schwöre es dir, Liebling.«
Ganz schien er sie aber noch nicht überzeugt zu haben. Melancholie, die man von ihr nicht gewohnt war, kam zum Ausdruck, als sie sagte: »Ach, was hast du denn schon an mir, Peter, wer bin ich denn? Eine kleine Telefonistin. Es fehlt mir an allem: an Schönheit, an Geld, an Bildung. Meine Nase ist zu groß, ich wohne bei meiner Mutter, habe keine Mitgift zu erwarten, in der Schule reichte es nur zur mittleren Reife. Meine Beine …«
Das ging ihm zu weit.
»Deine Beine«, unterbrach er sie, »machen mich verrückt. Hör bloß auf, mir die vermiesen zu wollen. Sie machen mich wahnsinnig.«
»Aber meine Nase …«
»Die ist ganz entzückend. Warum sonst würde ich sie so oft küssen, kannst du mir das sagen?«
Sie kam zum Kern der Sache.
»In Paris«, sagte sie, »wirst du schnell eine Hübschere kennenlernen …«
»Quatsch!«
»… und eine, die es besser mit Männern versteht als ich.«
»Petra, du …«
»Dafür sind die Französinnen bekannt.«
»Du spinnst, Petra. Was ist denn plötzlich in dich gefahren?«
Sie lächelte traurig. »Ich erkenne mich selbst«, sagte sie überraschend weise. »Ich bin ein kleines, unbedeutendes Mädchen. Du bist ein Reporter, der schon einen gewissen Namen hat und dem eine noch
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