Ich bin verliebt in deine Stimme
unvorsichtigerweise.
»Daß Sie … daß Sie sich nicht so anstellen sollen.«
»Meine Damen«, erklärte der Modeschöpfer und zwang sich zu einem geringschätzigen Lächeln, um zu retten, was zu retten war, »die Sprache der Banausen. Ich kenne den. Er arbeitet für ein Revolverblatt.«
Am Telefon begann er unfreundlich: »Was ist?«
»Servus, altes Haus!« tönte es ihm entgegen. »Wie geht's?«
»Was willst du?« antwortete Ralf.
»Du mich auch!«
»Was?«
»Du mich auch, sagte ich und habe damit das ausgesprochen, was du dir gedacht hast.«
Ralf seufzte.
»Peter«, sagte er halb amüsiert, halb melancholisch, »mit dir ist's ein Kreuz. Wenn du anrufst, kommst du ungelegen, und wenn du gelegen kämst, rufst du nicht an.«
»Ich verstehe. Und wann wäre ich gelegen gekommen?«
»Die ganze vergangene Woche.«
»Du bist gut, ich hab's wiederholt versucht und mußte jedesmal von deiner Sekretärin hören, daß du nicht da bist. War nichts zu machen.« Stimmt ja, was er sagt, dachte Ralf. »Überrumpeln«, fuhr Peter fort, »läßt die sich nicht; anders als die heute.«
Ralf gab zu, ihm sei es ähnlich ergangen, auch er habe ihn, Peter, vergeblich in der Redaktion zu erreichen versucht.
»Und was wolltest du?« fragte ihn der Zeitungsmensch. »Mir deine Verlobung mit der Besitzerin der schönsten Stimme Berlins, nein, der Welt mitzuteilen?«
»Schön wär's«, erwiderte Ralf seufzend. »Aber mit der erlebe ich eine Pleite nach der anderen.«
»Tatsächlich?«
»Es ist verheerend, glaub mir.«
»Eine ganz neue Erfahrung für dich, wie?« sagte Peter, nicht ganz ohne Schadenfreude.
»Kannst du mir nicht ein bißchen beistehen?«
»Wie denn?«
»Weiß ich auch nicht, deshalb frage ich dich ja.«
»Im Moment jedenfalls überhaupt nicht, weil ich auf dem Sprung bin.« »Wohin?«
»Nach Paris. Die Redaktion schickt mich. Unser Korrespondent dort muß für einen erkrankten Kollegen in Madrid einspringen – er kann Spanisch – und ich für den in Paris. Das war auch der Grund meines Anrufs. Ich wollte dir das mitteilen.«
»Seit wann sprichst du so gut Französisch?«
»Schon immer.«
»Wußte ich gar nicht.«
»Siehst du.«
»Wann geht's los?«
»Morgen oder übermorgen.«
»Für wie lange?«
»Das steht noch nicht fest; jedenfalls bis der in Madrid wieder auf dem Damm ist.«
»Soso. Und wer betreut in der Zwischenzeit deine … wie hieß sie?«
»Petra.«
»Richtig, ja, wer nimmt sich ihrer an?«
»Du nicht!« rief Peter spontan.
»Warum nicht, Junge? Ich könnte mich doch wirklich ein bißchen um sie kümmern. Würde sich das nicht geradezu anbieten?«
»Untersteh dich! Eher nehme ich sie mit nach Paris.«
»Mensch!« wunderte sich Ralf. »So viel bedeutet sie dir?«
»Mehr als dir die deine!«
Ralf sagte dazu nichts mehr. Das hätte er nicht gedacht. Erst als Peter »Also, dann tschüs!« sagte, fiel ihm dessen laufende Serie in Berlin ein, so daß er ihn noch fragte: »Und wer nimmt sich an deiner Stelle den Rest der hiesigen Nachtlokale vor? Oder hattest du sie schon alle durch?«
»Keineswegs. Hier springt einer von der Sportredaktion ein. So ist das nun mal bei der Presse. Was glaubst du, wie oft das passiert!«
»Komm gesund wieder, Alter.«
»Mach' ich. Das gleiche gilt auch für dich hier in Berlin: Bleib gesund.«
»Tschüs!«
»Tschüs!«
Ralf legte den Hörer auf und zündete sich eine Zigarette an. Nachdenklich begann er zu rauchen. Die kleine Hoffnung, die er mit seinem Freund verbunden hatte, war also vorläufig zerstoben. Unterstützung von dieser Seite konnte er im Moment keine erwarten. Er sah sich auf sich allein gestellt. Aber war das ein Fehler?
Mann, sagte er zu sich selbst, sich innerlich aufraffend, ich brauche doch keinen anderen, um mit einem Mädchen zu Rande zu kommen. Wer bin ich denn? Ich werde mir die unter den Nagel reißen, ob sie will oder nicht.
Sich eine Dame unter den Nagel reißen ist zwar keine schöne Ausdrucksweise, aber ein Mann, der ein Gespräch mit sich selbst führt, drückt sich so und nicht anders aus. Das darf sogar vom alten Knigge höchstpersönlich mit Sicherheit angenommen werden. Ralf rauchte noch eine zweite Zigarette und dachte nach. Daß man im Atelier auf ihn wartete, kümmerte ihn nicht. Die Sekretärin kam inzwischen zurück und bemerkte an seinem versunkenen Gesichtsausdruck, daß es nicht ratsam war, ihn aus seiner Grübelei aufzuschrecken. Sie sagte deshalb kein Wort zu ihm und hütete sich, auf ihrer
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