Ich bleib so scheiße, wie ich bin
nach der neuesten Methode oder ganz konventionell, wenig an den Problemen in einer Partnerschaft ändern. Neueste Untersuchungen zeigen: Je weniger die Partner über ihre Beziehung sprechen, desto besser. Nichts funktioniert – und es kann nichts funktionieren: Denn indem man eine Beziehung eingeht, hat man, ohne sich dessen bewusst zu sein, mit dem Partner vereinbart, nicht mehr auf vernünftige Art und Weise miteinander umzugehen.
Das ist das Geheimnis hinter den ewigen Beziehungsstreitereien. Um das zu verstehen, muss man erst einmal wissen, was eine Liebesbeziehung überhaupt ist.
Eine Liebesbeziehung hat etwas mit Liebe zu tun, könnte man naiverweise annehmen, aber wenn man ein bisschen gründlicher über das Phänomen Zweierbeziehung nachdenkt, wird einem schnell klar, dass damit die Frage nicht beantwortet ist. Man kann durchaus in einer Beziehung sein, ohne sich zu lieben, und jemanden lieben, mit dem man keine Beziehung führt. Betrachtet man die Liebesbeziehung soziologisch, wie beispielsweise Niklas Luhmann, lässt sich das Phänomen auf folgenden Nenner bringen: Eine Beziehung kommt dann zustande, wenn zwei Menschen beschließen, eine Beziehung zu haben.
Eine Liebesbeziehung ist ein soziales Konstrukt, welches übrigens keine dreihundert Jahre alt ist. Und dieses soziale Konstrukt hat besondere Regeln, die sich von den Regeln einer Freundschaft unterscheiden. Ein wesentliches Element dieses Konstruktes »Liebesbeziehung« ist – neben der Übereinkunft, seine sexuellen Bedürfnisse möglichst mit dem Partner zu befriedigen –, dass die Kommunikation zwischen den Partnern ganz anderen Gesetzen folgt als mit Freunden oder Fremden. Diese besondere Kommunikation ist geradezu das Erkennungsmerkmal einer Liebesbeziehung, und wer fordert, die Partner sollen nicht als »Liebende« miteinander sprechen, sondern normal und vernünftig, wie sie es mit jedem anderen Menschen auch tun, rüttelt ebenso an den Grundfesten der Beziehung, wie es ein Partner tut, der fremdgeht.
Niemand hat vor 300 Jahren erwartet,
eine romantische Liebe tatsächlich
erleben zu müssen.
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Die unterschiedlichen Regeln einer Freundschaft und einer Liebesbeziehung lassen sich zum Beispiel an der Art und Weise, wie Verabredungen getroffen werden, ablesen:
Zwei Freunde verabreden sich. Eine Stunde vor dem verabredeten Zeitpunkt stellt der eine Freund fest, dass er eigentlich keine Lust hat, sich zu treffen. Lieber würde er alleine zu Hause bleiben und fernsehen. Freund A ruft Freund B an und gesteht: »Du, eigentlich habe ich keine Lust mehr, auszugehen. Am liebsten würde ich zu Hause bleiben und fernsehen.« Freund B sagt: »Das macht doch nichts, dann treffen wir uns ein andermal.«
Freund B ist nicht beleidigt, dass Freund A abgesagt hat, und er schätzt es als Vertrauensbeweis, dass dieser ihm seine wahren Beweggründe für die Absage genannt hat.
Nehmen wir nun an, zwei Menschen, die eine Beziehung miteinander haben, aber nicht zusammen wohnen, haben sich verabredet. Der Mann stellt kurz vor dem verabredeten Zeitpunkt fest, dass er keine Lust mehr hat, aus dem Haus zu gehen. Er ruft seine Freundin oder seinen Freund an und sagt: »Du, ich habe keine Lust, mit dir essen zu gehen, ich will lieber alleine zu Hause bleiben und fernsehen.«
Jedem leuchtet ein, dass das unmöglich ist. Der Mann kann seinem Partner oder seiner Partnerin nicht sagen, dass er lieber fernsehen will, als ihn oder sie zu sehen. In einer Beziehung heißt diese Aussage nämlich: »Ich liebe dich nicht mehr.« Der Mann muss sich etwas ausdenken: Ein Freund, der Liebeskummer hat, hat angerufen, und der Mann muss diesem Freund beistehen. Nun kann er zu Hause bleiben, muss aber sämtliche Telefone abstellen und das Licht in seiner Wohnung ausschalten.
In einer Beziehung verhalten sich die Partner nicht einfach so, wie sie wollen, sondern sie beziehen bei allem, was sie sagen, den besonderen Status der Partnerschaft mit ein und antizipieren stets, wie das auf den Partner wirkt. Der Partner weiß das auch, aber er spricht es nicht aus. Die Regeln einer Beziehung verlangen, dass jeder so tut, als würde er nicht merken, dass sich der andere auf ihn bezieht. Das macht das Gespräch in einer Beziehung so kompliziert.
Der Partner macht also etwas, von dem er weiß, dass es dem anderen gefällt (oder missfällt, je nach Stimmung), tut aber so, als mache er das um seiner selbst willen. Der Partner weiß das, spricht diese Tatsache aber nicht an, um diese
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