Ich bleib so scheiße, wie ich bin
früher als Single, am Wochenende, zu Ostern und zu Weihnachten und Silvester allein bleiben möchte. Weil ich vom Bahnhof abgeholt werden will. Weil ich auf den Sex nicht verzichten kann. Weil sich doch sonst keiner verpflichtet fühlt, mich auf Reisen und Feste zu begleiten und mir den Tee ans Bett zu bringen, wenn ich krank bin.
Menschen mit einem gewissen Anspruch haben in solch einem Fall nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie verdrängen ihre wahren Gefühle und reden sich ein, dass sie ihren Partner doch lieben – oder sie beenden die Beziehung. Die dritte Möglichkeit, sich seine kleinlichen Beweggründe einzugestehen und trotzdem nichts an der Situation zu ändern, kommt für sie nicht in Frage. Und nie, niemals, können sich solche Leute vorstellen, ihren Partnern auch noch zu erzählen, wie kleinlich und gemein sie sind.
Die dritte Möglichkeit, nämlich seinem Partner die Wahrheit zu sagen, wäre natürlich der Ausweg aus allem: Man müsste nicht die Beziehung beenden und wäre trotzdem befreit von der Liebe – also der Lüge.
»Hütet euch vor der Liebe«, riet der Autor und Psychologe Peter Lauster manchen Paaren, die zu ihm in die Sprechstunde kamen. Peter Lauster schreibt seit über vierzig Jahren Bücher über die Liebe. Besonders in den Siebziger- und Achtzigerjahren äußerte er sich kritisch über die Institution Ehe und bürgerliche Moralvorstellungen. Die ewige Liebe hält er für einen Mythos.
Kommt die Liebe ins Spiel, wird es seiner Meinung nach für die Menschen schwierig. Liebe kann nämlich voneinander trennen. Was macht man, wenn der Partner Liebe verlangt, die man nicht fühlt? Wem auf dieser Welt darf man dann noch gestehen, dass man gar nicht lieben kann? Wem sich dann noch anvertrauen?
WAS IST LIEBE?
Wer geliebt werden will, sollte lieber vorher fragen, was denn Liebe ist, rät Werner Katzengruber. Was meint ein Mensch, wenn er von Liebe spricht? Meint er das Gefühl, welches durch Hormone hervorgerufen wird und das daher nur vorübergehender Natur ist? Was fühle ich, wenn ich von Liebe spreche? Bezeichne ich damit vielleicht bestimmte Wünsche und Bedürfnisse? Was glaube ich, was mein Partner fühlt, wenn er sagt »Ich liebe dich«? Warum bin ich eigentlich gekränkt, wenn jemand sagt, dass er mich nicht liebt? Wenn man diese Fragen für sich ehrlich klärt, kann man das Phänomen Liebe entmystifizieren.
REDEN WIR NICHT VON LIEBE, REDEN WIR VON SEX!
Während wir auf den Menschen warten, der uns wirklich liebt und den wir auch wirklich lieben, vergeht die Zeit. Das macht nervös, denn niemand mag auf die erfüllende Liebesbeziehung warten, bis er neunzig Jahre alt ist. Zumal mit zunehmendem Alter die Naivität schwindet, die man braucht, um die für eine Liebesbeziehung notwendige Überhöhung des Sexualpartners zuwege zu bringen. Stattdessen wächst die Kenntnis um die Zumutungen, die das Zusammenleben mit einem anderen Menschen mit sich bringt.
Man sollte sich also besser damit beschäftigen, wie man die Zeit ohne wahre Liebe am liebsten verbringen möchte:
– Macht es einem Spaß, jede Woche in die Therapie zu rennen und zu lernen, sich selbst zu lieben? Oder hätte man in dieser Zeit lieber Zärtlichkeit und Sex?
– Will man lieber allein leben, oder möchte man lieber Gesellschaft haben? Und muss diese Gesellschaft unbedingt der Sexualpartner sein?
– Erträgt man seinen derzeitigen Partner nur noch, weil man völlig resigniert hat? Oder könnte man es mit ihm ganz nett haben, wenn man ihn nicht ständig mit seinem Verlangen nach wahrer Liebe quälen würde?
Wollen Sie Sex, oder wollen Sie an sich arbeiten? Sie haben keine Zeit für beides.
----
Diese Fragen kann jeder nur für sich selbst beantworten, keine Frauenzeitschrift und kein Männermagazin und nicht einmal dieses Buch werden einem dabei helfen. Um Sex zu haben, ist es jedenfalls nicht notwendig, an sich zu arbeiten. Man könnte sogar sagen, dass die Arbeit an sich selbst unvermeidlich eine Einbuße des Sexappeals mit sich zieht.
Sexiness ist das Absichtslose, also eher das Gehenlassen als das Zusammenreißen. Der rote Mund, in den ein Stück Schokolade gesteckt wird, ist ein Symbol für Sinnlichkeit, nicht der geschlossene, der das Stück Biomöhre wie vorgeschrieben mindestens 35 Mal gekaut hat.
Der unvernünftige Mensch ist sexy, nicht der vernünftige. Männer und Frauen, die von positivem Konfliktmanagement und Paarcoaching noch nie etwas gehört haben, sind definitiv sexier als die, die stets
Weitere Kostenlose Bücher