Ich bleib so scheiße, wie ich bin
wieder in ihr altes Verhalten zurückfallen. Sie fühlen sich schlecht und schuldig, wenn sich in ihnen alles sträubt, ihren Partner, den sie doch angeblich lieben, mit Respekt zu behandeln. Aber den anderen mit Nachsicht und Respekt zu behandeln, würde ja heißen, dem Partner kampflos das Feld zu überlassen, und natürlich ist die Frage berechtigt, warum man das tun sollte.
Es gibt eine neue Bewegung aus den USA, welche den vernünftigen Umgang mit den Gefühlen propagiert und Paaren empfiehlt, ihre Gefühle im Gespräch möglichst ganz wegzulassen. Nur dadurch ließen sich die strittigen Punkte klären, so die These.
Aber einen Machtkampf kann man nicht gewinnen, indem man über ihn spricht. Wer einlenkt und seinem Partner gesteht, dass er keine Lust auf diesen Machtkampf habe und dass ihm »das zu albern« sei, hat schon verloren.
Wer keinen Machtkampf will,
sollte keine Beziehung führen.
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Wer den Machtkampf leugnet, weil er die Wahrheit nicht ertragen kann, wird viele Dinge nicht verstehen. Es wird ihn verwirren, dass sein Partner sich hartnäckig weigert, auf seine kleinen und harmlosen Wünsche Rücksicht zu nehmen, obwohl ihn das nicht viel kosten würde. Es wird ihm unverständlich sein, dass man ihn offensichtlich für so blöd hält, zu glauben, dass ein Mensch, dessen Hände nicht amputiert sind, nicht in der Lage ist, diese einfachen Tätigkeiten auszuführen. Dass ihm weisgemacht wird, dass jemand, der nicht unter Alzheimer leidet, sich gewisse Dinge nicht merken kann, und das, obwohl er jeden Tag schreiend an sie erinnert wird.
Er wundert sich, wenn er sich durch die Ermahnung des Partners, »man müsse auch mal Kritik abkönnen«, verleiten lässt, eigene Fehler einzugestehen – nur, um dann zu erleben, wie dieses Eingeständnis gegen einen verwendet wird.
Wenn man sich der Tatsache stellen würde, dass es sich um einen knallharten Machtkampf handelt, der sich durch keinen Therapeuten wegreden lässt, dann könnte man effektive Gegenmaßnahmen ergreifen: Drohkulissen aufbauen zum Beispiel, Dritte hinzuziehen und nicht ganz korrekte Strafmaßnahmen einleiten. Und sich auf gar keinen Fall und niemals kritisieren lassen. Darf man aber nicht. Man soll ja vernünftig sein.
Vernünftige zahlen einen hohen Preis. Sie kämpfen mit Einsamkeitsgefühlen, weil sie meinen, ihre Wut und ihren Ärger vor dem Partner verbergen zu müssen. Da ihnen dies nicht immer gelingt, fühlen sie sich schuldig – und der Partner wird nicht zögern, diese Schuldgefühle für sich zu nutzen!
Wut, Geld und Ärger sind die Machtmittel,
die ich gegenüber meinem Partner habe.
Warum diese Macht freiwillig abgeben?
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Im Prinzip ist die Idee, einander mit Respekt zu behandeln, sich klar auszudrücken und seine wahren Beweggründe offenzulegen, gut – aber unbrauchbar. Denn am Ende wird man mit diesem Anspruch den Kürzeren ziehen. Die Umgebung schätzt es nicht, wenn man sich klar ausdrückt. Wenn man also offenlegt, was für ein Spiel hier zwischen den Partnern gespielt wird. Man gilt dann als kompliziert und schwierig und wird in der Regel für seine guten Bemühungen gedemütigt. Diese Erfahrung machte meine Freundin Anna. Annas Freund hat eine Exfrau und zwei Kinder. Für sie bedeutet das, dass sie jedes zweite Wochenende und auch Weihnachten allein verbringen muss, denn dann kümmert sich ihr Freund um seine Kinder. Es gefiel ihr nicht, dass bei jedem Ausflug ihres Freundes mit den Kindern auch automatisch die Exfrau mit dabei ist und er überhaupt jeden Abend, den Anna nicht zu Hause ist, bei ihr verbringt. Doch Anna will ihrem Freund nicht vorschreiben, mit wem er sich treffen darf und mit wem nicht. Sie verbietet es sich, ihren Partner einzusperren und zu kontrollieren, nur weil sie eifersüchtig ist. Sie wünscht sich, dass man gemeinsam über solche kleinlichen Gefühle hinauswächst, denn sie glaubt, dass Liebe nur in Freiheit entstehen kann.
Doch irgendwann musste sie feststellen, dass ganze Reisen an die Ostsee geplant wurden, ohne sie zu fragen, und eines Tages wurde ihr verkündet, dass ihr Freund die Osterfeiertage mit seiner Exfrau, den Kindern, seinem Bruder und dessen Frau und sogar dem neuen Freund der Exfrau verbringen würde. Nur Anna könne leider nicht mitkommen, das wolle die Exfrau nicht. Als Anna protestierte, wurde sie von ihrem Freund gefragt, ob sie sich zwischen ihn und die Kinder stellen wollte. Da erst begriff Anna, dass ihre Strategie der Vernunft nicht honoriert wurde. Dass
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