Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
Vom Netzwerk:
noch ordentlicher, als ich erwartet habe, aber der Aktenschrank ist da, stahlgrau.
    In der unteren Schublade liegt ein Handtuch, darunter eine Schatulle. Ich nehme sie heraus. Ich komme mir blöd vor, überzeugt, dass sie entweder abgeschlossen oder leer ist.
    Weder noch. In ihr finde ich meinen Roman. Nicht die Ausgabe, die Dr. Nash mir geschenkt hat – vorne auf dem Umschlag ist kein Kaffeering, und die Seiten sehen neu aus. Die hier muss Ben die ganze Zeit aufbewahrt haben. Für den Tag, an dem ich genug weiß, um wieder etwas damit anfangen zu können. Ich frage mich, wo meine Ausgabe ist, die, die Dr. Nash mir geschenkt hat.
    Ich nehme den Roman heraus, und darunter liegt ein einzelnes Foto. Ich und Ben lächeln in die Kamera, sehen aber beide traurig aus. Es muss relativ neu sein, mein Gesicht ist das, das ich vom Blick in den Spiegel wiedererkenne, und Ben sieht so aus wie heute Morgen, als er zur Arbeit ging. Im Hintergrund ist ein Haus zu sehen, eine Kieszufahrt, Kübel mit leuchtendroten Geranien. Auf die Rückseite hat jemand
Waring House
geschrieben. Es muss an dem Tag aufgenommen worden sein, als er mich abholte, um mich hierher zu bringen.
    Doch das ist alles. Es sind keine weiteren Fotos drin. Keins von Adam. Nicht mal die, die ich schon einmal hier gefunden und in meinem Tagebuch erwähnt habe.
    Es gibt eine Erklärung, sage ich mir. Es muss eine geben. Ich sehe den Stapel auf dem Schreibtisch durch: Zeitschriften, Werbekataloge für Computersoftware, ein Schulstundenplan, auf dem einige Unterrichtstermine gelb markiert sind. Ich finde einen verschlossenen Umschlag – den ich spontan nehme –, aber keine Fotos von Adam.
    Ich gehe nach unten und mache mir einen Tee. Wasser kochen, Teebeutel. Nicht zu lange ziehen lassen und nicht mit dem Löffel auf den Beutel drücken, sonst tritt zu viel Tanninsäure aus und der Tee wird bitter.
Wieso erinnere ich mich an so was, aber nicht daran, ein Kind geboren zu haben?
Ein Telefon klingelt, irgendwo im Wohnzimmer. Ich eile hin, nehme es aus meiner Handtasche – nicht das aufklappbare, sondern das, das mein Mann mir gegeben hat – und gehe ran. Ben.
    »Christine? Alles in Ordnung? Bist du zu Hause?«
    »Ja«, sage ich. »Ja. Danke.«
    »Warst du heute unterwegs?«, fragt er. Seine Stimme klingt vertraut, aber irgendwie kalt. Ich denke an das letzte Mal, dass wir miteinander gesprochen haben. Ich glaube, er hat nicht erwähnt, dass ich einen Termin bei Dr. Nash hatte. Vielleicht weiß er es wirklich nicht, denke ich. Oder vielleicht stellt er mich auf die Probe, will wissen, ob ich es ihm erzählen werde. Ich denke an den Zettel in meinem Notizbuch, auf dem der Termin steht, und darunter:
Nicht Ben sagen
. Das muss ich geschrieben habe, als ich noch nicht wusste, dass ich ihm vertrauen kann.
    Ich will ihm jetzt vertrauen. Keine Lügen mehr.
    »Ja«, sage ich. »Ich war bei einem Arzt.« Er sagt nichts. »Ben?«, sage ich.
    »Entschuldigung, ja«, sagt er. »Ich hab’s gehört.« Ich stelle fest, dass er nicht überrascht klingt. Dann hat er es also gewusst, hat gewusst, dass ich mich regelmäßig mit Dr. Nash getroffen habe. »Ich bin im Auto«, sagt er. »Ziemlich dichter Verkehr. Hör mal, ich wollte bloß fragen, ob du daran denkst zu packen? Wir fahren weg …«
    »Natürlich«, sage ich und schiebe dann nach: »Ich freu mich drauf!«, und ich merke, dass das stimmt. Es wird uns beiden guttun, mal rauszukommen, denke ich. Es kann ein Neuanfang für uns werden.
    »Ich bin bald zu Hause«, sagt er. »Meinst du, du hast dann schon fertig gepackt? Ich helf dir gern, sobald ich da bin, aber es wäre besser, wenn wir früh wegkämen.«
    »Ich will’s versuchen«, sage ich.
    »Im Gästezimmer sind zwei Reisetaschen. Im Kleiderschrank. Nimm die.«
    »Okay.«
    »Ich liebe dich«, sagt er.
    Und dann, nach einem zu langen Moment, einem Moment, in dem er bereits aufgelegt hat, sage ich, dass ich ihn auch liebe.
    ***
    Ich gehe auf die Toilette. Ich bin eine Frau, sage ich mir. Eine erwachsene Frau. Ich habe einen Mann. Einen, den ich liebe. Ich denke zurück an das, was ich gelesen habe. An den Sex. Daran, wie er mit mir geschlafen hat. Ich hatte nicht geschrieben, dass es mir Spaß gemacht hat.
    Kann ich Sex genießen? Mir wird klar, dass ich noch nicht mal das weiß. Ich drücke auf die Toilettenspülung, ziehe Hose, Strümpfe, Slip aus. Ich setze mich auf den Badewannenrand. Wie fremd mir mein Körper ist. Wie unbekannt. Wie kann ich ihn mit Freude

Weitere Kostenlose Bücher