Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
dich vor all den Jahren verlassen habe, um mit jemand anderem zusammen zu sein, und es tut mir leid, dass wir nie wissen werden, mit wem ich mich in dem Hotelzimmer treffen wollte oder was genau dort passiert ist. Aber eins sollst du wissen, ich bin fest entschlossen, es jetzt wiedergutzumachen.«
Und dann, wenn zwischen uns nichts anderes mehr ist als Liebe, können wir anfangen, einen Weg zu finden, um wirklich zusammen zu sein.
Ich habe Dr. Nash angerufen. »Ich möchte Sie noch einmal sehen«, sagte ich. »Ich möchte, dass Sie mein Tagebuch lesen.« Ich glaube, er war überrascht, aber er sagte ja. »Wann?«, fragte er.
»Nächste Woche«, sagte ich. »Holen Sie es sich nächste Woche ab.«
Er sagte, er würde am Dienstag zu mir kommen.
Teil drei Heute
Ich blättere die Seite um, aber da steht nichts mehr. An dieser Stelle endet die Geschichte. Ich habe stundenlang gelesen.
Ich zittere, kann kaum atmen. Ich habe das Gefühl, in den letzten Stunden nicht nur ein ganzes Leben gelebt, sondern mich auch verändert zu haben. Ich bin nicht mehr dieselbe Person, die heute Mittag Dr. Nash gesehen hat, die sich hingesetzt hat, um das Tagebuch zu lesen. Ich habe jetzt eine Vergangenheit. Ein Bewusstsein meiner selbst. Ich weiß, was ich habe und was ich verloren habe. Ich merke, dass ich weine.
Ich schließe das Tagebuch. Ich zwinge mich, ruhig zu werden, und die Gegenwart setzt sich allmählich wieder durch. Der dunkel werdende Raum, in dem ich sitze. Der Bohrlärm, den ich noch von irgendwo draußen auf der Straße hören kann. Die leere Kaffeetasse zu meinen Füßen.
Ich sehe auf die Uhr neben mir, und ein Schreck durchfährt mich. Erst jetzt wird mir klar, dass es dieselbe Uhr ist wie die in dem Tagebuch, in dem ich gelesen habe, dass ich mich in demselben Wohnzimmer befinde, ich derselbe Mensch bin. Erst jetzt begreife ich richtig, dass die Geschichte, die ich gelesen habe, meine ist.
Ich gehe mit dem Tagebuch und der Tasse in die Küche. Dort, an der Wand, hängt die Wischtafel, die ich heute Morgen gesehen hatte, dieselbe Liste mit Vorschlägen in akkuraten Großbuchstaben, dieselbe Notiz, die ich selbst hinzugefügt hatte:
Für heute Abend packen?
Ich starre darauf. Irgendetwas daran beunruhigt mich, aber ich komme nicht dahinter, warum.
Ich denke an Ben. Wie schwierig das Leben für ihn gewesen sein muss. Nie zu wissen, mit wem er aufwacht. Nie sicher sein zu können, woran ich mich erinnere, wie viel Liebe ich ihm geben kann.
Aber jetzt? Jetzt verstehe ich es. Jetzt weiß ich so viel, dass wir beide wieder leben können. Ich frage mich, ob ich das Gespräch, das ich vorhatte, auch wirklich mit ihm geführt habe. Ganz bestimmt, weil ich mir meiner Entscheidung so sicher war, aber in meinem Tagebuch habe ich nichts darüber geschrieben. Ich habe sogar schon seit einer Woche nichts mehr geschrieben. Vielleicht ging das nicht, weil ich mein Tagebuch Dr. Nash gegeben hatte und sich vorher keine Gelegenheit bot. Vielleicht hatte ich nicht mehr das Bedürfnis, etwas aufzuschreiben, nachdem ich Ben alles erzählt hatte.
Ich schlage die erste Seite des Tagebuchs auf. Da steht es, in derselben blauen Tinte. Die drei Wörter, in Großbuchstaben unter meinem Namen.
VERTRAUE BEN NICHT .
Ich nehme einen Stift und streiche sie durch. Zurück im Wohnzimmer sehe ich das Album auf dem Tisch liegen. Noch immer sind keine Fotos von Adam darin. Noch immer hat er ihn heute Morgen mit keinem Wort erwähnt. Noch immer hat er mir nicht gezeigt, was in der Metallschatulle ist.
Ich denke an meinen Roman –
Für die Vögel des Morgens
– und blicke dann auf das Tagebuch in meiner Hand. Ein ungebetener Gedanke kommt mir.
Was, wenn ich das alles erfunden habe?
Ich stehe auf. Ich brauche Beweise. Ich brauche eine Verbindung zwischen dem, was ich gelesen habe, und dem, was ich lebe, ein Zeichen, dass die Vergangenheit, von der ich gelesen habe, keine erfundene ist.
Ich stecke das Tagebuch in die Handtasche und gehe aus dem Wohnzimmer. Der Garderobenständer ist da, unten an der Treppe, daneben ein Paar Pantoffeln. Wenn ich nach oben gehe, finde ich dann das Arbeitszimmer, den Aktenschrank? Finde ich die graue Metallschatulle in der unteren Schublade, versteckt unter dem Handtuch? Liegt der Schlüssel in der unteren Nachttischschublade?
Und wenn ja, finde ich dann meinen Sohn?
Ich muss es wissen. Ich laufe die Treppe hoch, nehme zwei Stufen auf einmal.
Das Arbeitszimmer ist kleiner, als ich dachte, und sogar
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