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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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die Situation selbst. Ich kann mich an die Bestürzung in ihrer Stimme erinnern, daran, dass sie mehrmals
Verdammt
sagte, nachdem sie mir gesagt hatte, was ihr klargeworden war:
Er ist nicht Ben.
    Ich erinnere mich.
    »Das stimmt nicht«, sage ich. »Du bist nicht Ben. Claire hat es mir erzählt! Wer bist du?«
    »Erinnerst du dich nicht an die Fotos, Christine? Die Fotos rings um den Badezimmerspiegel? Moment, ich hab sie mitgebracht, um sie dir zu zeigen.«
    Er macht einen Schritt auf mich zu und greift dann nach seiner Tasche auf dem Fußboden neben dem Bett. Er holt ein paar wellige Fotos hervor. »Schau mal!«, sagt er, und als ich den Kopf schüttele, nimmt er das erste, wirft einen kurzen Blick darauf und hält es mir hin.
    »Das sind wir«, sagt er. »Schau mal. Du und ich.« Auf dem Foto sitzen wir in einer Art Boot, auf einem Fluss oder Kanal. Hinter uns dunkles, trübes Wasser, und im Hintergrund ist unscharf Schilf zu erkennen. Wir sehen beide jung aus, die Haut glatt, wo sie jetzt schlaff ist, die Augen ohne Krähenfüße und ganz groß vor Glück. »Verstehst du nicht?«, sagt er. »Sieh hin! Das sind wir. Du und ich. Vor Jahren. Wir sind seit Jahren ein Paar, Chris. Seit vielen Jahren.«
    Ich konzentriere mich auf das Foto. Bilder steigen in mir auf. Wir beide an einem sonnigen Nachmittag. Wir hatten ein Boot gemietet, irgendwo. Ich weiß nicht, wo.
    Er hält mir ein weiteres Foto hin. Jetzt sind wir deutlich älter. Wir stehen vor einer Kirche. Der Tag ist verhangen, und er trägt einen Anzug und schüttelt einem Mann, ebenfalls im Anzug, die Hand. Ich habe einen Hut auf, mit dem ich anscheinend so meine Mühe habe; ich halte ihn fest, als hätte ich Angst, er könnte mir vom Kopf geweht werden. Ich schaue nicht in die Kamera.
    »Das war erst vor ein paar Wochen«, sagt er. »Freunde hatten uns zur Hochzeit ihrer Tochter eingeladen. Erinnerst du dich?«
    »Nein«, sage ich schroff. »Nein, ich erinnere mich nicht.«
    »Es war ein schöner Tag«, sagt er und dreht das Foto wieder zu sich um, damit er es sich anschauen kann. »Richtig schön –«
    Ich erinnere mich, gelesen zu haben, was Claire gesagt hatte, als ich ihr von dem ausgeschnittenen Zeitungsartikel über Adams Tod erzählte.
Der kann nicht echt gewesen sein.
    »Zeig mir eins von Adam«, sage ich. »Na los! Zeig mir ein einziges Foto von ihm.«
    »Adam ist tot«, sagt er. »Als Soldat gefallen. Er ist als Held –«
    Ich schreie: »Du wirst doch wohl ein Foto von ihm haben! Zeig’s mir!«
    Er holt das Foto von Adam mit Helen hervor. Dasjenige, das ich bereits gesehen habe. Wut kocht in mir hoch. »Zeig mir ein Foto von Adam, auf dem du auch drauf bist. Bloß eins. Du musst doch eins haben. Wenn du sein Vater bist!«
    Er sieht die Fotos in seiner Hand durch, und ich denke, dass er tatsächlich eines von ihnen beiden zutage fördern wird, aber nein. Er lässt die Arme sinken. »Ich hab keins dabei«, sagt er. »Die müssen zu Hause sein.«
    »Du bist nicht sein Vater, oder?«, sage ich. »Welcher Vater hätte keine Fotos von sich zusammen mit seinem Sohn?« Seine Augen verengen sich, wie vor Zorn, aber ich kann mich nicht bremsen. »Und was für ein Vater würde seiner Frau weismachen, ihr Sohn wäre tot, wenn das gar nicht stimmt? Gib’s zu! Du bist nicht Adams Vater! Du bist nicht Ben.« Und als ich den Namen ausspreche, erscheint ein Bild vor meinem inneren Auge. Ein Mann mit einer schmalen, dunklen Brille und schwarzem Haar.
Ben
. Ich sage seinen Namen erneut, als wollte ich mir das Bild ins Gehirn einbrennen. »Ben.«
    Der Name zeigt Wirkung bei dem Mann, der da vor mir steht. Er sagt etwas, aber so leise, dass ich es nicht verstehe, und daher bitte ich ihn, es zu wiederholen. »Du brauchst Adam nicht«, sagt er.
    »Was?«, sage ich, und er spricht mit mehr Nachdruck, blickt mir direkt in die Augen.
    »Du brauchst Adam nicht. Du hast jetzt mich. Wir sind ein Paar. Du brauchst Adam nicht. Du brauchst Ben nicht.«
    Als er das sagt, spüre ich, wie mich all meine Kraft verlässt und er dadurch an Kraft zu gewinnen scheint. Er lächelt.
    »Reg dich nicht auf«, sagt er strahlend. »Was soll’s? Ich liebe dich. Das ist das Einzige, was zählt. Hab ich recht? Ich liebe dich, und du liebst mich.«
    Er geht in die Hocke, streckt mir seine Hände hin. Er lächelt, als wäre ich ein Tier, das er aus der Höhle zu locken versucht, in die es sich verkrochen hat.
    »Na komm«, sagt er. »Komm zu mir.«
    Ich weiche weiter zurück, rutsche auf dem

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