Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
Hintern, bis ich gegen etwas Hartes stoße und den warmen, leicht klebrigen Heizkörper im Rücken spüre. Ich registriere, dass ich unter dem Fenster am hinteren Ende des Raumes bin. Er kommt langsam näher.
»Wer bist du?«, sage ich wieder, mit bemüht ruhiger, gelassener Stimme. »Was willst du?«
Er verharrt, hockt sich vor mich. Wenn er eine Hand ausstrecken würde, könnte er meinen Fuß berühren, mein Knie. Wenn er näher käme, könnte ich ihm einen Tritt versetzen, falls nötig, aber ich bin nicht sicher, ob ich richtig treffen würde, und außerdem bin ich barfuß.
»Was ich will?«, sagt er. »Ich will gar nichts. Ich will bloß, dass wir glücklich sind, Chris. Wie früher. Erinnerst du dich?«
Schon wieder dieses Wort.
Erinnern
. Einen Moment lang denke ich, er meint das sarkastisch.
»Ich weiß nicht, wer du bist«, sage ich, nahezu hysterisch. »Wie soll ich mich da erinnern können? Ich hab dich noch nie gesehen!«
Da erstirbt sein Lächeln. Ich sehe, wie sein Gesicht vor Schmerz in sich zusammenfällt. Für einen Moment entsteht ein Schwebezustand, als ob das Gleichgewicht der Kräfte sich von ihm zu mir verschiebt und für einen Sekundenbruchteil zwischen uns ausgewogen ist.
Dann löst er sich aus seiner Starre. »Aber du liebst mich«, sagt er. »Ich habe es gelesen, in deinem Tagebuch. Da steht, dass du mich liebst. Du willst, dass wir zusammen sind, das weiß ich. Wieso kannst du dich daran nicht erinnern?«
»Mein Tagebuch!«, sage ich. Ich weiß, dass er davon gewusst haben muss – wie hätte er sonst die entscheidenden Seiten heraustrennen können? –, doch mir wird klar, dass er es schon eine Weile gelesen haben muss, zumindest seit ich ihm vor einer Woche davon erzählt habe. »Wie lange hast du mein Tagebuch gelesen?«
Er scheint mich nicht gehört zu haben. Er hebt die Stimme, fast triumphierend. »Sag mir, dass du mich nicht liebst«, fordert er mich auf. Ich sage nichts. »Siehst du? Du kannst es nicht, oder? Du kannst es nicht sagen. Weil du mich liebst. Du hast mich immer geliebt, Chris. Immer.«
Er lässt sich nach hinten sinken, und jetzt sitzen wir beide auf dem Boden, einander gegenüber. »Ich weiß noch, wie wir uns kennengelernt haben«, sagt er. Ich denke daran, was er mir erzählt hat – verschütteter Kaffee in der Unibibliothek –, und frage mich, was jetzt kommt.
»Du hast an irgendwas gearbeitet. Du bist jeden Tag in dasselbe Café gegangen. Du hast immer am Fenster gesessen, an demselben Tisch. Manchmal hattest du ein Kind dabei, aber meistens nicht. Du hattest immer ein aufgeschlagenes Notizbuch vor dir liegen, entweder hast du was geschrieben oder bloß aus dem Fenster gestarrt. Ich fand dich so schön. Ich bin immer an dir vorbeigegangen, jeden Tag, auf dem Weg zum Bus, und irgendwann hab ich mich richtig auf den Nachhauseweg gefreut, weil ich dann einen kurzen Blick auf dich werfen konnte. Ich hab immer versucht, mir vorzustellen, was du wohl anhaben würdest oder ob du das Haar nach hinten gebunden oder offen tragen würdest oder ob du was essen würdest, ein Stück Torte oder ein Sandwich. Manchmal hattest du ein Stück Kuchen vor dir stehen, manchmal bloß einen Teller voll Krümel oder auch gar nichts, bloß eine Tasse Tee.«
Er lacht, schüttelt traurig den Kopf, und ich erinnere mich, dass Claire mir von dem Café erzählt hat, und weiß, dass er die Wahrheit sagt. »Ich bin jeden Tag immer genau um die gleiche Zeit an dem Café vorbeigegangen«, sagt er, »und ich bin einfach nicht dahintergestiegen, wie du entschieden hast, wann du was isst. Zuerst dachte ich, es würde vom Wochentag abhängen, aber da konnte ich kein Muster feststellen, und dann dachte ich, es hätte vielleicht mit dem Datum zu tun. Aber auch das kam nicht hin. Ich hab mich gefragt, um welche Uhrzeit genau du dir was zu essen bestellst. Ich dachte, das hätte vielleicht damit zu tun, um welche Uhrzeit du im Café ankamst, also hab ich angefangen, etwas früher Feierabend zu machen und mich zu beeilen, damit ich mitkriegte, wann du kamst. Und dann, eines Tages, warst du nicht da. Ich hab gewartet, bis ich dich die Straße runterkommen sah. Du hast einen Buggy geschoben, und als du am Eingang vom Café warst, hattest du Probleme, durch die Tür zu kommen. Du sahst so hilflos aus, kamst nicht vor und zurück, und da bin ich ganz spontan über die Straße und hab dir die Tür aufgehalten. Und du hast mich angelächelt und gesagt: ›Herzlichen Dank.‹ Du sahst wunderschön
Weitere Kostenlose Bücher