Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
»Richtig.«
»Ben«, sagte ich, später. »Sind wir glücklich?«
Wir saßen in einem Restaurant, einem, in dem wir schon mal gewesen waren, wie er sagte, woran ich mich natürlich nicht erinnern konnte. Gerahmte Fotos von Leuten – zweitklassige Promis, wie ich vermutete – schmückten die Wände, und im hinteren Teil wartete ein offener Backofen auf Pizzen. Ich stocherte in dem Melonenteller vor mir herum. Ich konnte mich nicht erinnern, ihn bestellt zu haben.
»Ich meine«, fuhr ich fort. »Wir sind … wie lange verheiratet?«
»Warte mal«, sagte er. »Zweiundzwanzig Jahre.« Es klang unwahrscheinlich lang. Ich musste an die Vision vom Nachmittag denken, als ich mich fertig gemacht hatte. Blumen in einem Hotelzimmer. Ich kann da nur auf ihn gewartet haben.
»Sind wir glücklich?«
Er legte seine Gabel hin und trank einen Schluck von dem trockenen Weißwein, den er bestellt hatte. Eine Familie kam herein und setzte sich an den Nebentisch. Ein Elternpaar, schon älter, eine Tochter, in den Zwanzigern. Ben sprach.
»Wir lieben uns, wenn du das meinst. Ich liebe dich jedenfalls.«
Und das war mein Stichwort, mein Stichwort, ihm zu sagen, dass ich ihn auch liebte. Wenn Männer »Ich liebe dich« sagen, ist das immer eine Frage.
Aber was konnte ich sagen? Er ist ein Fremder. Liebe entsteht nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden, ganz gleich, wie gern ich das mal geglaubt hätte.
»Ich weiß, du liebst mich nicht«, sagte er. Ich sah ihn an, einen Moment lang schockiert. »Keine Angst. Ich verstehe deine Situation. Unsere Situation. Du erinnerst dich nicht daran, aber wir haben uns mal geliebt. Über alles. Wie in den ganz großen Liebesgeschichten, weißt du? Romeo und Julia, der ganze Mist.« Er versuchte zu lachen, wirkte aber hilflos. »Ich habe dich geliebt, und du hast mich geliebt. Wir waren glücklich, Christine. Sehr glücklich.«
»Bis zu meinem Unfall.«
Bei dem Wort zuckte er zusammen. Hatte ich zu viel gesagt? Ich hatte mein Tagebuch gelesen, aber hatte er mir heute von dem Unfall mit Fahrerflucht erzählt? Ich wusste es nicht, aber egal, für jemanden in meiner Situation war ein
Unfall
ja wohl eine naheliegende Vermutung. Ich beschloss, mir deswegen keine Sorgen zu machen.
»Ja«, sagte er traurig. »Bis dahin. Wir waren glücklich.«
»Und jetzt?«
»Jetzt? Ich wünschte, die Situation wäre anders, aber ich bin nicht unglücklich, Chris. Ich liebe dich. Ich würde mir keine andere Frau wünschen.«
Und ich?
, dachte ich.
Bin ich glücklich?
Ich sah zum Nebentisch hinüber. Der Vater hielt sich eine Brille vor die Augen und schielte auf die laminierte Speisekarte, während seine Frau den Hut der Tochter zurechtrückte und ihr den Schal abnahm. Die junge Frau saß da, ohne zu helfen, blickte leer, den Mund leicht geöffnet. Ihre rechte Hand zuckte unter dem Tisch. Ein Faden Speichel hing ihr am Kinn. Ihr Vater bemerkte, dass ich sie anschaute, und ich blickte weg, sah wieder meinen Mann an, zu hastig, um den Anschein zu erwecken, ich hätte nicht gestarrt. Sie waren das sicher gewohnt – dass Leute wegschauten, eine Sekunde zu spät.
Ich seufzte. »Ich wünschte, ich könnte mich erinnern, was passiert ist.«
»Was passiert ist?«, sagte er. »Wieso?«
Ich dachte an all die anderen Erinnerungen, die ich gehabt hatte. Sie waren kurz gewesen, flüchtig. Sie waren jetzt weg. Verschwunden. Aber ich hatte sie aufgeschrieben; ich wusste, dass sie da gewesen waren – noch immer da waren, irgendwo. Sie waren nur verlorengegangen.
Ich war sicher, dass es einen Schlüssel geben musste, eine Erinnerung, die alle anderen aufschloss.
»Ich meine bloß, wenn ich mich an meinen Unfall erinnern könnte, dann würde ich mich vielleicht auch an andere Dinge erinnern. Vielleicht nicht an alles, aber doch an genug. Unsere Hochzeit zum Beispiel, unsere Flitterwochen. Nicht mal daran kann ich mich erinnern.« Ich trank von meinem Wein. Beinahe hätte ich den Namen unseres Sohnes ausgesprochen, ehe mir gerade noch rechtzeitig einfiel, dass Ben ja nicht wusste, dass ich von ihm gelesen hatte. »Allein morgens aufzuwachen und mich daran zu erinnern, wer ich bin, das wäre schon etwas.«
Ben verschränkte die Finger, stützte das Kinn auf die geballten Fäuste. »Die Ärzte haben gesagt, das würde nicht passieren.«
»Aber sie wissen es nicht, oder? Nicht mit Sicherheit? Sie könnten sich irren.«
»Das bezweifele ich.«
Ich stellte mein Glas hin. Er irrte sich. Er dachte, es wäre
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