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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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blickte von seinem Teller auf, die Augen groß vor Verblüffung. »Christine«, sagte er. »Liebling, lass doch –«
    »Bitte«, fiel ich ihm ins Wort. »Ich muss es wissen.«
    Er legte sein Besteck hin. »Also gut«, sagte er.
    »Du musst mir alles erzählen«, sagte ich. »Alles.«
    Er sah mich an, die Augen zusammengekniffen. »Bist du sicher?«
    »Ja«, sagte ich. Ich zögerte, doch dann beschloss ich, es auszusprechen. »Manche Leute denken vielleicht, es wäre besser, mir nicht alle Einzelheiten zu erzählen. Vor allem wenn sie verstörend sind. Aber ich finde das nicht. Ich finde, du solltest mir alles erzählen, damit ich selbst entscheiden kann, was ich davon halte. Verstehst du?«
    »Nein, Chris«, sagte er. »Das verstehe ich nicht. Was willst du damit sagen?«
    Ich sah weg. Meine Augen hefteten sich auf das Foto von uns beiden, das auf dem Sideboard stand. »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich weiß, ich war nicht immer so wie jetzt. Und jetzt bin ich es. Also muss irgendwas passiert sein. Etwas Schlimmes. Ich will bloß sagen, dass ich das weiß. Ich weiß, es muss irgendwas Schreckliches gewesen sein. Aber trotzdem will ich wissen, was. Ich muss es wissen. Ich muss wissen, was mit mir passiert ist. Lüg mich nicht an, Ben«, sagte ich. »Bitte.«
    Er griff über den Tisch und nahm meine Hand. »Liebling. Das würde ich niemals tun.«
    Und dann begann er zu reden. »Es war Dezember«, begann er. »Eisglatte Straßen …«, und ich hörte zu, mit einem wachsenden Gefühl des Grauens, während er mir von dem Autounfall erzählte. Als er fertig war, nahm er sein Besteck und aß weiter.
    »Bist du sicher?«, sagte ich. »Bist du sicher, dass es ein Unfall war?«
    Er seufzte. »Wieso?«
    Ich versuchte abzuschätzen, wie viel ich sagen sollte. Ich wollte nicht verraten, dass ich wieder schrieb, Tagebuch führte, aber ich wollte möglichst ehrlich sein.
    »Ich hatte heute so ein komisches Gefühl«, sagte ich. »Fast so was wie eine Erinnerung. Irgendwie fühlte es sich so an, als hätte es was damit zu tun, warum ich so bin.«
    »Was für ein Gefühl?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Eine Erinnerung?«
    »Irgendwie schon.«
    »Na, hast du dich an irgendwas Bestimmtes erinnert, was passiert ist?«
    Ich dachte an das Hotelzimmer, die Kerzen, die Blumen. Das Gefühl, dass sie nicht von Ben gewesen waren, dass ich in dem Zimmer nicht auf ihn gewartet hatte. Ich dachte auch an das Gefühl, nicht mehr atmen zu können.
    »Was meinst du mit ›irgendwas Bestimmtes‹?«
    »Irgendwelche Einzelheiten natürlich. Die Marke von dem Auto, das dich angefahren hat? Oder auch nur die Farbe? Ob du gesehen hast, wer am Steuer saß?«
    Ich hätte ihn am liebsten angeschrien.
Wieso soll ich unbedingt glauben, ich wäre von einem Auto angefahren worden? Etwa weil diese Geschichte leichter zu glauben ist als das, was wirklich passiert ist?
    Weil sie leichter anzuhören ist
, dachte ich,
oder leichter zu erzählen?
    Ich fragte mich, was er tun würde, wenn ich sagen würde,
Ehrlich gesagt, nein. Ich erinnere mich nicht mal, von einem Auto angefahren worden zu sein. Ich erinnere mich, in einem Hotelzimmer gewesen zu sein, wo ich auf jemanden gewartet habe, aber nicht auf dich.
    »Nein«, sagte ich. »Eigentlich nicht. Es war eher bloß ein allgemeiner Eindruck.«
    »Ein allgemeiner Eindruck?«, sagte er. »Was soll das heißen, ›ein allgemeiner Eindruck‹?«
    Er war lauter geworden, klang fast wütend. Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich die Diskussion fortführen wollte.
    »Nichts«, sagte ich. »Es war nichts weiter. Bloß ein komisches Gefühl, als ob irgendwas richtig Schlimmes passiert wäre, und ein Gefühl von Schmerz. Aber an Einzelheiten kann ich mich nicht erinnern.«
    Er schien sich zu entspannen. »Hat wahrscheinlich nichts zu bedeuten«, sagte er. »Dein Verstand spielt dir wohl bloß einen Streich. Am besten, du ignorierst das einfach.«
    Es ignorieren?
, dachte ich. Wie konnte er das von mir verlangen? Hatte er Angst davor, dass ich mich an die Wahrheit erinnerte?
    Durchaus möglich, vermute ich. Er hat mir heute schon erzählt, dass ich von einem Auto angefahren wurde. Es wird ihm nicht lieb sein, als Lügner entlarvt zu werden, und wenn auch nur für den Rest des einen Tages, den ich die Erinnerung bewahren kann. Besonders, falls er meinetwegen lügt. Klar, es wäre für uns beide einfacher, zu glauben, dass ich von einem Auto angefahren wurde. Aber wie soll ich je herausfinden, was wirklich passiert ist?
    Und auf

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