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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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wen ich in jenem Hotelzimmer gewartet hatte?
    »Okay«, sagte ich, denn was hätte ich sonst sagen sollen? »Wahrscheinlich hast du recht.«
    Wir aßen weiter unser Lamm, das inzwischen kalt geworden war. Und dann kam mir ein anderer Gedanke. Schrecklich, erschütternd.
Was, wenn er recht hat? Wenn es wirklich ein Unfall mit Fahrerflucht war? Was, wenn mein Verstand das Hotelzimmer erfunden hat, den Angriff?
Es könnte alles Erfindung sein. Einbildung, keine Erinnerung. Hatte ich mir das alles womöglich nur ausgedacht, weil ich die banale Tatsache eines Unfalls auf eisglatter Straße einfach nicht fassen konnte?
    Falls ja, dann funktioniert mein Gedächtnis nicht. Es kommen keine Erinnerungen zurück. Mein Zustand verbessert sich keineswegs, sondern ich werde verrückt.
     
    Ich nahm meine Handtasche und kippte sie über dem Bett aus. Dinge purzelten heraus. Mein Portemonnaie, mein geblümter Terminkalender, Lippenstift, Puderdose, Papiertaschentücher. Ein Handy, und dann noch eins. Eine Packung Pfefferminzbonbons. Ein paar Münzen. Ein gelber Notizzettel.
    Ich setzte mich aufs Bett, durchsuchte das Durcheinander. Zuerst fischte ich den kleinen Terminkalender heraus und dachte, ich hätte Glück, als ich sah, dass ganz hinten Dr. Nashs Name in schwarzer Tinte stand, doch dann bemerkte ich, dass neben der dazugehörigen Telefonnummer in Klammern »Praxis« stand. Es war Sonntag. Er würde nicht da sein.
    Der gelbe Notizzettel hatte an einem Rand eine Gummierung, an der Staub und Haare klebten, ansonsten war er leer. Ich fragte mich schon, wie in aller Welt ich auch nur eine Sekunde gedacht haben konnte, Dr. Nash hätte mir seine Privatnummer gegeben, als mir einfiel, dass ich sie vorn in meinem Tagebuch gelesen hatte.
Rufen Sie mich an, wenn Sie verwirrt sind
, hatte er gesagt.
    Ich fand sie, nahm dann beide Handys. Ich konnte mich nicht erinnern, welches Dr. Nash mir gegeben hatte. Ich überprüfte rasch das größere und stellte fest, dass jeder Anruf von Ben oder an ihn gewesen war. Das zweite – das Aufklappbare – war kaum benutzt worden.
Wieso sollte Dr. Nash es mir gegeben haben
, dachte ich,
wenn nicht für einen Fall wie jetzt? Was bin ich jetzt, wenn nicht verwirrt?
Ich klappte es auf und tippte seine Nummer ein, drückte dann die Anruftaste.
    Stille, ein paar Sekunden lang, und dann ertönte ein summender Rufton, der von einer Stimme unterbrochen wurde.
    »Hallo?«, sagte er. Er klang verschlafen, obwohl es noch nicht spät war. »Wer ist da?«
    »Dr. Nash«, sagte ich im Flüsterton. Ich konnte Ben unten hören, im Wohnzimmer, wo er sich irgendeine Talentshow im Fernsehen ansah. Gesang, Gelächter, durchsetzt mit lautem Applaus. »Ich bin’s, Christine.«
    Eine Pause entstand. Eine mentale Anpassung.
    »Oh. Okay. Wie –«
    Meine Enttäuschung war unerwartet heftig. Er klang nicht erfreut, von mir zu hören.
    »Entschuldigung«, sagte ich. »Ich hab Ihre Nummer vorn in meinem Tagebuch entdeckt.«
    »Kein Problem«, sagte er. »Kein Problem. Wie geht’s Ihnen?« Ich sagte nichts. »Ist alles in Ordnung?«
    »Entschuldigung«, sagte ich. Die Worte stürzten aus mir raus, unaufhaltsam. »Ich muss Sie sehen. Sofort. Oder morgen. Ja. Morgen. Ich hatte eine Erinnerung. Gestern Nacht. Ich hab alles aufgeschrieben. Ein Hotelzimmer. Jemand hat an die Tür geklopft. Ich konnte nicht atmen. Ich … Dr. Nash?«
    »Christine«, sagte er. »Beruhigen Sie sich. Was ist passiert?«
    Ich holte Luft. »Ich hatte eine Erinnerung. Ich bin sicher, sie hat irgendwas damit zu tun, warum ich mich an nichts erinnern kann. Aber sie ergibt keinen Sinn. Ben sagt, ich wurde von einem Auto angefahren.«
    Ich hörte eine Bewegung, als würde er sich anders hinsetzen, und eine zweite Stimme. Eine Frauenstimme. »Ist nichts weiter«, sagte er leise, und dann murmelte er etwas, was ich nicht genau verstehen konnte.
    »Dr. Nash?«, sagte ich. »Dr. Nash? Bin ich von einem Auto angefahren worden?«
    »Ich kann jetzt wirklich nicht reden«, sagte er, und dann hörte ich wieder die Frauenstimme, jetzt lauter, nörgelnd. Ich spürte, wie sich etwas in mir regte. Wut oder Panik.
    »Bitte!«, sagte ich. Das Wort zischte aus mir raus.
    Schweigen, zuerst, und dann wieder seine Stimme, jetzt mit Nachdruck. »Es tut mir leid«, sagte er. »Ich bin gerade beschäftigt. Haben Sie alles aufgeschrieben?«
    Ich antwortete nicht.
Beschäftigt
. Ich dachte an ihn und seine Freundin, fragte mich, wobei ich sie wohl gestört hatte. Er sprach

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