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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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erhob keine Einwände. »Eine Freundin namens Claire hat sie offenbar auch regelmäßig besucht. Was ist mit ihr?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir haben keinen Kontakt mehr.«
    »Ach«, sagte sie. »Wie schade. Aber egal. Ich kann Ihnen ein bisschen was darüber erzählen, wie das Leben damals hier so ablief.« Sie blickte auf ihre Notizen und faltete dann die Hände vor sich. »Für Ihre Behandlung war in erster Linie ein Facharzt für Psychiatrie zuständig. Sie erhielten Hypnosesitzungen, doch der Erfolg war leider gering und nicht von Dauer.« Sie las weiter. »Sie haben nicht viele Medikamente bekommen. Ein Beruhigungsmittel gelegentlich, doch in erster Linie, damit Sie schlafen konnten. Hier ist es manchmal ziemlich laut, wie Sie sich vorstellen können«, sagte sie.
    Ich erinnerte mich an das Geschrei, das ich mir zuvor vorgestellt hatte, fragte mich, ob ich solche Laute vielleicht auch mal von mir gegeben hatte. »Wie war ich?«, sagte ich. »War ich glücklich?«
    Sie lächelte. »Im Allgemeinen ja. Sie waren beliebt. Sie haben sich auch gut mit den Schwestern verstanden, besonders mit einer.«
    »Wie hieß sie?«
    Sie überflog ihre Notizen. »Tut mir leid, das steht hier nicht. Sie haben oft Patiencen gelegt.«
    »Patiencen?«
    »Eine Art Kartenspiel. Vielleicht kann Dr. Nash Ihnen das später erklären?« Sie sah auf. »Laut den Unterlagen waren Sie gelegentlich gewalttätig«, sagte sie. »Erschrecken Sie nicht. Das ist nicht ungewöhnlich in solchen Fällen. Patienten mit schweren Schädeltraumata neigen häufig zu Gewaltausbrüchen, vor allem, wenn der Teil des Gehirns, der für die Selbstbeherrschung zuständig ist, verletzt wurde. Außerdem neigen Patienten mit einer Amnesie wie der Ihren zu etwas, das wir konfabulieren nennen. Da sie ihre Umwelt nicht verstehen, entwickeln sie den Drang, Details zu erfinden. Über sich selbst und andere Leute oder über ihre Vergangenheit, was mit ihnen passiert ist. Die Ursache dafür ist vermutlich der Wunsch, Lücken in der Erinnerung zu füllen. In gewisser Weise verständlich. Es kann jedoch auch zu gewalttätigem Verhalten führen, wenn Amnesiepatienten mit ihren Phantasien auf Widerspruch stoßen. Das Leben muss für Sie extrem verwirrend gewesen sein. Besonders, wenn Sie Besuch hatten.«
    Besuch. Plötzlich hatte ich Angst, ich könnte meinen Sohn geschlagen haben.
    »Was hab ich gemacht?«
    »Sie haben gelegentlich Leute vom Personal geschlagen«, sagte sie.
    »Aber nicht Adam? Meinen Sohn?«
    »Laut diesen Notizen, nein.« Ich seufzte, nicht völlig erleichtert. »Wir haben hier ein paar Seiten aus einer Art Tagebuch, das Sie geführt haben«, sagte sie. »Es könnte durchaus hilfreich für Sie sein, einen Blick darauf zu werfen. Vielleicht verstehen Sie Ihre Konfusion dann etwas besser.«
    Das erschien mir gefährlich. Ich warf Dr. Nash einen Blick zu, und er nickte. Sie schob mir ein blaues Blatt Papier hin, und ich nahm es, scheute mich zunächst, auch nur einen Blick darauf zu werfen.
    Als ich es schließlich tat, sah ich, dass es mit krakeligem Gekritzel vollgeschrieben war. Ganz oben waren die Buchstaben noch ordentlich und hielten sich säuberlich an die Linierung, die quer über die Seite verlief, nach unten hin wurden sie jedoch groß und chaotisch, erstreckten sich über mehrere Linien, bloß wenige Wörter pro Zeile. Obwohl mir davor graute, was da stehen könnte, begann ich zu lesen.
    8.15 Uhr
, begann der erste Eintrag.
Bin aufgewacht. Ben ist da.
Direkt darunter hatte ich geschrieben:
8.17 Uhr. Ignorier den letzten Eintrag. Den hat jemand anders geschrieben
, und darunter stand:
8.20 Uhr. Ich bin
JETZT wach. Davor war ich es nicht. Ben ist da.
    Meine Augen glitten weiter nach unten.
9.45 Uhr. Ich bin gerade aufgewacht.
ZUM ALLERERSTEN MAL
, und dann, ein paar Zeilen weiter:
10.07.
JETZT bin ich eindeutig wach. Alle Einträge davor sind eine Lüge. Ich bin
JETZT wach.
    Ich sah auf. »Das hab ich wirklich geschrieben?«, sagte ich.
    »Ja. Anscheinend hatten Sie lange Zeit ständig das Gefühl, gerade erst aus einem sehr, sehr langen tiefen Schlaf aufgewacht zu sein. Sehen Sie mal da.« Dr. Wilson deutete auf das Blatt Papier vor mir und zitierte Einträge, die dort standen. »
Ich hab eine Ewigkeit geschlafen. Es war, als wäre ich
TOT . Ich bin eben erst aufgewacht. Ich kann wieder sehen, zum ersten Mal
. Man hat Sie offenbar ermutigt, aufzuschreiben, was Sie empfunden haben, um so vielleicht Ihre Erinnerung daran zu wecken, was davor

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