Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
auch ohne ein Exemplar meines Romans zu sehen, wissen werde, einen geschrieben zu haben.
Aber selbst das erscheint unerreichbar. Ich dachte daran, was ich auf der geschlossenen Station gesehen hatte. Wahnsinn und Schmerz. Persönlichkeiten, die zerstört worden waren. Ich bin dem näher, dachte ich, als einer Genesung. Vielleicht wäre es doch am besten, wenn ich lernen würde, mit meinem Zustand zu leben. Ich könnte Dr. Nash sagen, dass ich ihn nicht wiedersehen will, und ich könnte mein Tagebuch verbrennen, die Wahrheiten begraben, die ich bereits erfahren habe, sie so gründlich vergraben wie die, die ich noch nicht kenne. Ich würde vor meiner Vergangenheit davonlaufen, aber ich würde nichts bereuen – in nur wenigen Stunden würde ich nicht mal mehr wissen, dass mein Tagebuch oder mein Arzt überhaupt existiert hatten –, und dann könnte ich ein schlichtes Leben führen. Ein Tag würde auf den anderen folgen, zusammenhanglos. Ja, dann und wann würde die Erinnerung an Adam auftauchen. Ich würde einen Tag lang Trauer und Schmerz durchleiden, würde mich an das erinnern, was mir fehlt, aber das wäre nicht von Dauer. Schon bald würde ich schlafen und still und leise vergessen. Wie einfach das wäre, dachte ich. So viel einfacher als das hier.
Ich dachte an das Foto, das ich gesehen hatte. Das Bild hatte sich mir eingebrannt.
Wer hat mir das angetan? Warum?
Ich dachte an die Erinnerung, die ich von dem Hotelzimmer gehabt hatte. Sie war noch da, knapp unter der Oberfläche, knapp außer Reichweite. Wie ich heute Morgen erfahren hatte, musste ich davon ausgehen, dass ich eine Affäre gehabt hatte, doch jetzt wurde mir klar, dass ich mich nicht erinnern konnte, mit wem, vorausgesetzt, es entsprach überhaupt der Wahrheit. Ich hatte nur einen einzigen Namen, der mir vor wenigen Tagen morgens beim Aufwachen eingefallen war, ohne die Aussicht, mich je an mehr erinnern zu können, selbst wenn ich wollte.
Dr. Nash redete noch immer. Ich hatte keine Ahnung, worüber, und ich fiel ihm ins Wort. »Verbessert sich mein Zustand?«, fragte ich.
Für einen Sekundenbruchteil dachte ich, er würde nicht antworten, doch dann sagte er: »Glauben Sie das?«
Tat ich das? Ich konnte es nicht sagen. »Ich weiß nicht. Ja. Sieht so aus. Ich kann mich an Dinge aus meiner Vergangenheit erinnern, manchmal. Erinnerungsblitze. Ich habe sie, wenn ich mein Tagebuch lese. Sie fühlen sich real an. Ich erinnere mich an Claire. Adam. Meine Mutter. Aber sie sind wie Fäden, die ich nicht festhalten kann. Luftballons, die in den Himmel schweben, ehe ich sie fassen kann. Ich kann mich nicht an meine Hochzeit erinnern. Ich kann mich nicht an Adams erste Schritte erinnern, sein erstes Wort. Ich kann mich nicht an seine Einschulung erinnern, an seinen Schulabschluss. An nichts davon. Ich weiß nicht mal, ob ich dabei war. Vielleicht hat Ben gedacht, es würde sowieso nichts bringen, mich mitzunehmen.« Ich holte Luft. »Ich kann mich nicht mal erinnern, von seinem Tod erfahren zu haben, oder an seine Beerdigung.« Ich begann zu weinen. »Ich habe das Gefühl, ich werde verrückt. Manchmal denke ich sogar, er ist gar nicht tot. Ist das zu fassen? Manchmal denke ich, dass Ben mich auch in dem Punkt belügt, wie bei allem anderen.«
»Bei allem anderen?«
»Ja«, sagte ich. »Mein Roman. Der Angriff auf mich. Der Grund, warum ich keine Erinnerung habe. Alles.«
»Aber was glauben Sie, warum er das tut?«
Mir kam ein Gedanke. »Weil ich eine Affäre hatte?«, sagte ich. »Weil ich ihm untreu war?«
»Christine«, sagte er. »Das ist unwahrscheinlich, meinen Sie nicht?«
Ich sagte nichts. Er hatte natürlich recht. Im Grunde meines Herzens glaubte ich nicht, dass seine Lügen tatsächlich eine verspätete Rache für etwas waren, das vor vielen Jahren passiert war. Die Erklärung war wahrscheinlich sehr viel banaler.
»Wissen Sie«, sagte Dr. Nash, »ich glaube auch, Ihr Zustand verbessert sich. Sie können sich an Dinge erinnern. Sehr viel häufiger als am Anfang unserer Zusammenarbeit. Diese Erinnerungsfetzen sind eindeutig ein Zeichen dafür, dass Sie Fortschritte machen. Sie bedeuten –«
Ich sah ihn an. »Fortschritte? Das nennen Sie Fortschritte?« Ich schrie jetzt fast, die Wut brach aus mir hervor, als könnte ich sie nicht länger im Zaum halten. »Wenn das Fortschritte sind, dann weiß ich nicht, ob ich das will.« Die Tränen flossen jetzt haltlos. »Ich will das nicht!«
Ich schloss die Augen und überließ mich meinem
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