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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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schwarz und trägt eine Schwesterntracht. »Da wären wir, Liebes«, sagt sie zu mir. »Sehen Sie mal, wer da ist!« Sie lässt meine Hand los und dirigiert mich zum Bett.
    Eine Gruppe von Fremden sitzt darum herum, beobachtet mich. Ich sehe einen Mann mit dunklen Haaren und eine Frau mit einer Baskenmütze, aber ich kann ihre Gesichter nicht erkennen. Ich bin im falschen Zimmer, will ich sagen. Das muss ein Irrtum sein. Aber ich sage nichts.
    Ein kleiner Junge – vier oder fünf Jahre alt – steht auf. Er hat auf der Bettkante gesessen. Er kommt auf mich zugelaufen, und er sagt
Mummy
, und ich sehe, dass er mich meint, und erst da erkenne ich, wer er ist.
Adam
. Ich gehe in die Hocke, und er läuft in meine Arme, und ich halte ihn und küsse ihn auf den Kopf, und dann richte ich mich wieder auf. »Wer sind Sie?«, frage ich die Leute am Bett. »Was machen Sie hier?«
    Der Mann sieht auf einmal traurig aus, und die Frau mit der Baskenmütze steht auf und sagt: »Chris. Chrissy. Ich bin’s. Du weißt doch, wer ich bin, oder?« Und dann kommt sie auf mich zu, und ich sehe, dass sie weint.
    »Nein«, sage ich. »Nein! Verschwindet! Verschwindet!«, und ich drehe mich um und will aus dem Zimmer, und da steht eine andere Frau hinter mir, und ich weiß nicht, wer sie ist oder woher sie so plötzlich gekommen ist, und ich fange an zu weinen. Ich sinke langsam zu Boden, doch der kleine Junge hält sich an meinen Knien fest, und ich weiß nicht, wer er ist, aber er sagt
Mummy
zu mir, wieder und wieder.
Mummy. Mummy. Mummy,
und ich weiß nicht, warum oder wer er ist oder warum er sich an mich klammert …
    Eine Hand berührte meinen Arm. Ich zuckte zusammen, als wäre ich gestochen worden. Eine Stimme. »Christine? Alles in Ordnung? Dr. Wilson ist da.«
    Ich öffnete die Augen, sah mich um. Eine Frau in einem weißen Kittel stand vor uns. »Dr. Nash«, sagte sie. Sie schüttelte ihm die Hand und blickte dann mich an. »Christine?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte sie. »Ich bin Hilary Wilson.« Ich nahm ihre Hand. Sie war ein wenig älter als ich; ihr Haar war angegraut, und eine Lesebrille baumelte an einer Goldkette um ihren Hals. »Herzlich willkommen«, sagte sie, und ohne dass ich hätte sagen können, wieso, war ich mir sicher, ihr schon einmal begegnet zu sein. Sie deutete mit einem Kopfnicken den Korridor hinunter. »Sollen wir?«
     
    Ihr Büro war groß, voller Kisten, die vor Papieren überquollen, und mit Büchern an den Wänden. Sie setzte sich hinter einen Schreibtisch und deutete auf zwei Sessel davor, in die Dr. Nash und ich uns sinken ließen. Ich sah zu, wie sie aus einem Stapel auf dem Schreibtisch eine Akte zog und sie aufschlug. »So, meine Liebe«, sagte sie. »Dann wollen wir doch mal sehen.«
    Ihr Bild gefror. Ich kannte sie. Ich hatte ihr Foto gesehen, als ich in dem Scanner lag, und obwohl ich sie in dem Moment nicht erkannt hatte, tat ich es jetzt. Ich war schon mal hier gewesen. Oft. Hatte hier gesessen, wo ich jetzt saß, in diesem Sessel oder einem ähnlichen, hatte gesehen, wie sie Notizen in eine Akte schrieb, während sie durch die Brille spähte, die sie elegant an die Augen hob.
    »Ich kenne Sie …«, sagte ich. »Ich erinnere mich …«
    Dr. Nash sah mich an, dann wieder zu Dr. Wilson hinüber.
    »Ja«, sagte sie. »Ja, das stimmt. Obwohl wir uns nicht sehr oft gesehen haben.« Sie erklärte, dass Sie gerade erst angefangen hatte, hier zu arbeiten, als ich die Klinik verließ, und dass sie am Anfang nicht mal für mich zuständig gewesen war. »Es ist aber auf jeden Fall ein sehr gutes Zeichen, dass Sie sich an mich erinnern«, sagte sie. »Es ist lange her, seit Sie hier Patientin waren.«
    Dr. Nash beugte sich vor und sagte, es könnte vielleicht helfen, wenn ich mein altes Zimmer sehen würde. Sie nickte, sah in der Akte nach, und sagte dann nach einem Augenblick, sie wisse nicht, welches das gewesen sei. »Wäre aber durchaus möglich, dass Sie öfters verlegt wurden«, sagte sie. »Das wird mit vielen Patienten gemacht. Könnten wir Ihren Mann danach fragen? Laut der Akte haben er und Ihr Sohn Sie ja fast jeden Tag besucht.«
    Ich hatte heute Morgen von Adam gelesen, und als sie ihn jetzt erwähnte, durchfuhr mich nicht nur ein Glücksgefühl, sondern auch Erleichterung, dass ich doch ein wenig davon mitbekommen hatte, wie er aufwuchs, aber ich schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte ich. »Ich möchte Ben lieber nicht anrufen.«
    Dr. Wilson

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