Ich darf nicht vergessen
die Unterstützung Ihres Gehirns.
Ich verstehe nicht recht.
Wir glauben, dass Sie etwas darüber wissen. Dass Sie jedoch nicht wissen, was Sie wissen.
Wie kommen Sie darauf?
Nur eine Vermutung. In meinem Beruf erlebt man so allerlei.
Ja, ich mache mir Sorgen. Mein Gedächtnis. Es ist nicht mehr, was es mal war. Erst heute Morgen habe ich zu James gesagtâ das ist mein Mannâ, dass wir mehr Fisch essen müssen. Sie wissen schon, wegen der Omega-3-Fettsäuren. Er war nicht gerade begeistert. Es ist nicht leicht, in Chicago guten Fisch zu bekommen.
Genau. Sie wissen also, wovon ich rede. Vielleicht sind Sie ja dann bereit, sich auf meine Bitte einzulassen. Mit mir über Ihre Arbeit zu sprechen, mir zu erzählen, wie Sie Amanda OâToole in Erinnerung haben. Ein paar Wortspiele zu spielen. Ich möchte versuchen, Ihrem klugen Kopf etwas Neues zu entlocken.
Ich werde meine Termine für den Rest des Vormittags absagen.
Die Frau nickt ernst. Vielen Dank.
Sie nimmt ihr Handy aus der Tasche. Stört es Sie, wenn ich das Gespräch aufzeichne? Ich habe nämlich selbst ein Problem mit dem Gedächtnis. Also, tun Sie Folgendes: Denken Sie an Amanda. Hier habe ich ein Foto von ihr, vielleicht hilft das ja Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge. Nein? Na ja, dann vergessen Sie einfach, wie sie aussieht. Woran denken Sie, wenn ich den Namen Amanda ausspreche?
Ich denke an eine groÃe, aufrechte, unbarmherzige Frau. An eine würdevolle Frau.
Wie würde eine würdevolle Frau dem Tod begegnen?
Das ist eine unsinnige Frage. Der einzige gute Tod ist ein schneller Tod. Das hat nichts mit Würde zu tun. Ob man an einem Herzinfarkt stirbt oder an einem Schädeltrauma, spielt keine Rolle. Wenn man wenig oder gar nicht leidet, ist es ein guter Tod.
Aber man hört durchaus von Menschen, die würdevoll sterben. Und nicht nur Soldaten. Sie wissen schon, was ich meine.
Das liegt an den Medikamenten. Die helfen den meisten Menschen, es durchzustehen. Ohne die Medikamente würden nicht mal unsere Angehörigen bis zum Ende durchhalten. Die Schmerzlinderung ist für sie genauso wichtig wie für uns selbst.
Sie sind Ãrztin, Sie kommen stärker mit dem Tod in Berührung als die meisten Menschen. Andererseits haben Sie in Ihrem Fachgebiet nicht oft mit Todesfällen zu tun, nicht wahr?
Nein, an einer Handverletzung stirbt man gewöhnlich nicht. Ich gestatte mir ein Lächeln.
Aber Sie haben mit Amputationen zu tun, nicht wahr?
Ja, ziemlich oft.
Aus welchen Gründen würden Sie ein Körperglied amputieren, sagen wir mal, einen Finger?
Eine Infektion, Wundbrand, GefäÃverletzungen, Knochenmarksentzündungen. Krebs.
Könnte es für Sie einen Grund geben, alle Finger zu amputieren, die Hand aber ansonsten intakt zu lassen?
Ja. Bei schweren Erfrierungen oder bei Meningokokkensepsis kommt es leicht zu Wundbrand, in dem Fall muss man alle Finger amputieren.
Und was genau ist Wundbrand?
Eine Komplikation beim Absterben von Zellen. Das führt dazu, dass ein Teil des Körpers zu verfaulen beginnt. Da hilft irgendwann nur noch eine Amputation.
Haben Sie im Lauf Ihres Berufslebens schon mal eine Amputation wegen Wundbrand durchgeführt?
Ja, gelegentlich. In unseren Breiten kommt es immer wieder zu Erfrierungen. In der Regel sind sie nicht so schlimm, dass eine Amputation notwendig wird, und wenn doch, dann trifft es meist die Armen und Obdachlosen.
Aber Sie behandeln keine Obdachlosen, nicht wahr? Jedenfalls nicht in Ihrer Praxis?
Ich arbeite nebenbei ehrenamtlich im Hope Community Health Center drüben in der Chicago Avenue, dort nehme ich auch die meisten derartigen Eingriffe vor. Manchmal kommen auch Patienten mit sogenanntem Faulbrand als Folge einer Infektion. Das ist sehr gefährlich. Wenn man in solch einem Fall den betreffenden Körperteil nicht amputiert, kann der Faulbrand sich ausbreiten, was schlieÃlich zum Tod des Patienten führt.
Anders ausgedrückt: Sie amputieren einen Körperteil, um zu verhindern, dass der Körper verfault?
Ja, so kann man es ausdrücken. Wenn es sich um Faulbrand handelt.
Aber es gäbe keinen Grund, einen Körperteil nach dem Tod des Patienten zu amputieren.
Nein, natürlich nicht.
Ãberhaupt keinen?
Ãberhaupt keinen.
Warum sollte also jemand so etwas tun? Ihrer Meinung nach?
Ich bin keine Psychiaterin und nicht damit vertraut, was sich im Gehirn von Psychopathen und
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