Ich darf nicht vergessen
ziehen, anstatt mich nur auf den Teil unterhalb des Ellbogens zu konzentrieren. Das war nicht einfach.
Und der Heilige Christophorus? Plötzlicher Tod?
Ja. Wenn du Christophorus erblickst, bist du vor dem Tod geschützt. In meinem Fall ging es um Schutz vor dem geistigen Tod. Vor meiner Angst, meiner Verzweiflung, dass mir alles Wichtige abhandengekommen wäre. Als Amanda mir das Medaillon geschenkt hat, wollte sie mir damit sagen, gerate nicht in Panik, bloà weil dir im Moment alles düster erscheint. Sie wollte mir sagen, dass es einen Ausweg gab. Dass ich meinen Frieden finden würde, indem ich für vergangene⦠Sünden⦠bezahlte. Dass sonnigere Zeiten vor mir lagen. So glaubte sie zumindest.
Das Medaillon stand also für die Ãberwindung spiritueller Probleme â es hatte nichts mit Konflikten zwischen Ihnen und Amanda zu tun.
So würde ich das nicht sagen. Nein. Es gab durchaus Konflikte zwischen uns.
Sie beugt sich vor, fragt, Darf ich?, und nimmt das Medaillon in die Hand. Ihr Gesicht spannt sich an. Da ist etwas auf dem Medaillon, sagt sie. Ein Fleck. Darf ich mir das einmal näher ansehen?
Ich zucke die Achseln, greife in meinen Nacken, ziehe mir die Halskette über den Kopf und reiche sie ihr. Sie betrachtet das Medaillon.
Es ist ja ganz verschmutzt, sagt sie. Ich werde es mitnehmen und säubern. Ich bringe es Ihnen wieder zurück, keine Sorge.
Es entsteht ein Schweigen. Ich frage: Gibt es sonst noch etwas? Meine Patienten warten auf mich. Es wundert mich, dass meine Sprechstundenhilfe uns noch nicht unterbrochen hat. Sie hat Anweisung, dafür zu sorgen, dass ich meine Termine einhalte.
Verzeihen Sie. Ich halte Sie schon viel zu lange auf. Darf ich noch einmal wiederkommen?
Lassen Sie sich einfach von meiner Sprechstundenhilfe einen Termin geben. Meine Sprechzeiten sind montags, dienstags und freitags. Mittwoch und Donnerstag sind meine OP -Tage. Ich schlage vor, dass Sie in drei Wochen zu einer Nachuntersuchung wiederkommen.
Ja. Danke. Sie haben mir sehr geholfen.
Sie drückt einen Knopf an ihrem Handy und steckt es in ihre Aktentasche.
Ja, sagt sie. Wir werden uns ganz bestimmt noch einmal unterhalten. Ziemlich bald sogar.
F iona ist hier. Meine Tochter. Ihre grünen Augen sind leicht gerötet. Drei Mond-Ohrringe baumeln an ihrem rechten Ohr.
Was gibtâs?, frage ich. Ich liege noch im Bett. Nirgendwo eine Uhr, von der ich die Zeit ablesen könnte.
Wie meinst du das?, fragt sie, aber ich spüre, dass sie aufgebracht ist. Sie setzt sich auf den Stuhl neben meinem Bett, steht auf, setzt sich wieder hin, nimmt meine Hand und tätschelt sie. Ich ziehe meine Hand weg und stütze mich auf den Ellbogen.
Du bist ja richtig aufgewühlt, sage ich.
Nein. Doch. Sie steht wieder auf, geht im Zimmer hin und her. Wird es nicht allmählich Zeit für dich aufzustehen? Es ist gleich neun Uhr.
Ich setze mich auf, werfe die Bettdecke zurück, hebe die Beine und stelle die FüÃe auf den Boden. Sie will mir helfen. Ich schüttle ihre Hand ab.
Alles in Ordnung?, fragt sie.
Ein neues Medikament, sage ich. Oder vielmehr, eine höhere Dosis. Sie haben sowohl das Seroquel als auch das Buboprion erhöht. AuÃerdem versuchen sie, mir Alprazolam unterzujubeln, wenn sie glauben, dass ich gerade nicht aufpasse.
Ja, ich weiÃ. Das haben sie mir gesagt.
Ich betrachte ihr Gesicht genauer. Auch die Nase ist leicht gerötet. Die Haare um die Ohren strähnig vom vielen Zupfen. Anzeichen von Stress. Ich kenne meine Tochter.
Erzähl mir, was los ist, sage ich.
Sie sucht nach etwas in meinem Gesicht, wirkt verunsichert. Dann trifft sie eine Entscheidung.
Wir haben heute den Verkauf abgeschlossen, sagt sie. Ich komme gerade vom Notar.
Du hast ein Haus gekauft?
Nein, sagt sie. Das heiÃt, doch. Aber nicht heute. Heute habe ich eins verkauft.
Ich wusste gar nicht, dass du ein Haus besitzt. Ich dachte, du hättest eine Wohnung in Hyde Park. In der Ellis Avenue.
Ich bin vor ungefähr drei Monaten umgezogen, sagt sie. Die Wohnung war mir zu klein. Ich habe mir ein Haus in der Nähe des Campus gekauft. Ein Backsteinhaus mit Parkettböden und unverputzten Wänden.
Ihr Gesicht wirkt jetzt weniger verhärmt, als würde sie sich an etwas Schönes erinnern, dann verdüstert es sich wieder. Nein, wir haben das Haus in Lincoln Park verkauft, das in der Sheffield Avenue, sagt sie.
Genau da steht auch mein Haus. Ich
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