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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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Kriminellen abspielt.
    Ja, das ist mir klar.
    Aber es könnte eine symbolische Bedeutung haben.
    Inwiefern?
    Na ja, wenn eine Amputation verhindert, dass Fäulnis sich ausbreitet, dann könnte es bei jemandem, der mit seinen Händen Unrecht getan hat– bei jemandem, dessen Hände besudelt sind, weil sie Böses getan haben–, eine Botschaft sein. Sie wissen ja, was Jesus beim letzten Abendmahl gesagt hat: Doch siehe, die Hand meines Verräters ist mit mir auf dem Tisch.
    Warum dann die Finger und nicht die Hände?
    Auch das könnte eine symbolische Bedeutung haben. Eine Hand ohne Finger kann nichts ergreifen oder festhalten. Es könnte eine Botschaft an jemanden sein, der für habgierig gehalten wird. Oder an jemanden, der emotional nicht loslassen kann. Eine Hand ohne Finger ist schließlich nichts weiter als ein mit weichem Gewebe überzogenes Paddel aus Knochen. Zu nicht viel zu gebrauchen.
    Die Frau nickt. Sie streckt sich, steht auf und beginnt, im Zimmer umherzugehen.
    Mir ist aufgefallen, dass sich in diesem Zimmer eine ganze Reihe religiöser Gegenstände befinden, sagt sie. Und mit welcher Leichtigkeit Sie aus der Bibel zitieren können. Sind Sie ein religiöser Mensch?
    Ich schüttle den Kopf. Ich wurde katholisch erzogen, aber heute habe ich einfach Freude an den Devotionalien. Wenn man Geschichte studiert und sich auf das Mittelalter spezialisiert, erwirbt man automatisch ziemlich gute Bibelkenntnisse.
    Die Frau bleibt vor meiner Statue stehen.
    Die haben Sie von zu Hause mitgebracht. Wer ist das? Die Muttergottes?
    Nein, nein, das ist die heilige Rita von Cascia. Sehen Sie die Wunde an ihrer Stirn? Und die Rose, die sie in der Hand hält?
    Wer ist sie?
    Die Schutzpatronin derjenigen mit aussichtslosen Anliegen.
    Ich dachte, das wäre Judas.
    Ja, diese beiden Heiligen haben ähnliche Aufgaben. Aber die Feministin in mir zieht Rita vor. Sie war kein hilfloses Opfer wie so viele andere Märtyrerinnen. Sie ist zur Tat geschritten.
    Hm, ich verstehe, dass Ihnen das gefällt. Ist sie auch auf dem Medaillon abgebildet, das Sie an Ihrer Halskette tragen?
    Das? Nein. Das ist der heilige Christophorus.
    Warum tragen Sie das Medaillon?
    Es ist ein Scherz. Es war Amandas Idee.
    Was denn für ein Scherz?
    Der heilige Christophorus ist eigentlich gar kein richtiger Heiliger.
    Nein?
    Etikettenschwindel. Nein, das stimmt so nicht. Aber die Legende ist unglaubwürdig und nicht zu beweisen. Etwas, das seine Verehrer sich ausgedacht haben. Er wurde vor einiger Zeit aus dem Kreis der anerkannten Heiligen ausgeschlossen. Aber als Kind war ich von ihm begeistert. Er beschützte einen vor so vielen Dingen. Unter anderem vor einem plötzlichen, unchristlichen Tod. Er ist der Schutzpatron der Reisenden. Es gibt immer noch Leute, die sich eine kleine Christophorus-Statue aufs Armaturenbrett kleben.
    Devotionalien.
    Ja.
    Und was hat das mit Amanda zu tun?
    Sie hat mir das Medaillon geschenkt. Zu meinem fünfzigsten Geburtstag. Die zehn Jahre davor waren ziemlich schwer für mich gewesen.
    In welcher Hinsicht?
    In vielerlei Hinsicht. Ich hatte so viel verloren. Auf einer sehr persönlichen, selbstbezogenen, narzisstischen Ebene. Mein gutes Aussehen, das Interesse an Sex, meinen Ehrgeiz.
    Dass Sie sagen, Sie hätten Ihren Ehrgeiz verloren, wundert mich. Sie waren auf dem Höhepunkt Ihres Schaffens, als Sie in den Ruhestand getreten sind.
    Richtig. Aber Ehrgeiz ist nicht dasselbe wie Erfolg. Das sind zweierlei Dinge. Ehrgeiz bedeutet streben, nicht erreichen wollen. Mit Fünfzig hatte ich alles erreicht, was ich wollte. Ich wusste nicht, wohin es weitergehen sollte. Ehrlich gesagt, gab es auch nichts, wo ich noch hinwollte. Ich wollte keinen Posten in der Verwaltung, wollte in keinem Vorstand sitzen. In dieser Hinsicht war ich nicht ehrgeizig. Ich wollte weder Lehrbücher noch medizinische Ratgeber schreiben. Und ich wollte– brauchte– auch nicht noch mehr Geld.
    Und dann?
    Amanda hat mir geholfen, auf ihre Weise. Sie hat mir zu der ehrenamtlichen Tätigkeit im New Hope Community Medical Center in der Chicago Avenue geraten, so konnte ich der Welt etwas zurückgeben. Sie hat nicht lockergelassen. Sie wusste, dass ich irgendwann nachgeben würde. Der Einsatz dort hat sich dann tatsächlich in vielerlei Hinsicht als sehr befriedigend erwiesen. Ich musste wieder als praktische Ärztin arbeiten. Den ganzen menschlichen Körper in Betracht

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