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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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Aber der Staatsanwalt will durchsetzen, dass Sie in die Retesch-Anstalt im südlichen Illinois kommen, wo es erheblich strenger und restriktiver zugeht.
    Sie schaut mich an. Ich habe den Eindruck, dass nicht viel von dem, was ich sage, bei Ihnen ankommt.
    Sie seufzt, dann fährt sie fort. Ich hatte gehofft, Sie hätten heute einen guten Tag. Dass Sie verstehen würden, um was es geht. Für die juristischen Dinge hat Ihr Sohn eine Handlungsvollmacht. Aber mir ist es immer lieber, wenn meine Mandanten auch selbst unterschreiben. Hier. Nehmen Sie den Kugelschreiber.
    Sie drückt mir etwas in die Hand, führt meine Hand zu einem Blatt Papier, berührt es mit dem Gegenstand.
    Damit beantragen Sie Freispruch wegen Schuldunfähigkeit. Der Staatsanwalt wird dem nichts entgegensetzen. Wie gesagt, der einzige Streitpunkt ist die Einrichtung, in der Sie untergebracht werden sollen. Tut mir leid.
    Ihr Gesicht ist lebhaft, ausdrucksstark. Perfekt geschminkt. Ich habe mich immer gefragt, wie man das macht. Ich selbst mache mir nie die Mühe– es führt nur dazu, dass mein Mundschutz und meine Brille nach einer OP völlig mit Make-up beschmiert sind.
    Die Frau erzählt mir etwas, dem ich nicht folgen kann. Sie seufzt, krault dem Hund gedankenabwesend das Fell. Es tut mir leid, sagt sie noch einmal.
    Sie scheint auf etwas zu warten, vielleicht auf eine Reaktion von mir. Zweifellos betrachtet sie das, was sie mir mitteilt, als schlechte Nachrichten. Aber ich habe nicht die Absicht, mich von ihren Worten berühren zu lassen.
    Mehrere Minuten lang sitzen wir so da. Dann legt sie die Papiere langsam zurück in ihre Aktentasche und klappt sie zu. Es war mir eine Freude, für Sie zu arbeiten, sagt sie. Ich versuche, mich zu erinnern, was mir gesagt wurde. Ich bin eine Person von Interesse. Natürlich bin ich das. Aber natürlich.
    I ch bin raffiniert. Ich schaffe mir Hund vom Hals. Das mache ich, indem ich vor den Augen einer Pflegerin mehrmals nach ihm trete. Dann hebe ich ihn hoch und tue so, als wollte ich ihn an die Wand werfen. Geschrei. Hund wird mir mit Gewalt entrissen. Wird nachts aus der Station entfernt, darf nicht mehr in mein Zimmer. Er fehlt mir. Aber er würde meinen Plan vereiteln.
    M om?
    Ich drehe mich um und sehe meinen gutaussehenden Sohn. Er ist viel älter geworden, aber nach wie vor erkennbar. Heute Morgen kam eine Frau zu Besuch, eine Fremde, die abrupt wieder weggegangen ist, als ich sie nicht erkannte. Als ich mich geweigert habe mitzuspielen. Eine dumme, unbesonnene Person.
    Wie ist deine Prüfung gelaufen?, frage ich.
    Meine was? Ach so, ja, gut. Es ist alles gut gelaufen.
    Ich bin nicht deine Professorin. Du brauchst keine Angst zu haben, dass ich dich durchfallen lasse.
    Ich bin immer ein bisschen … nervös … wenn ich dich besuche. Ich weiß nie, wie du mich empfangen wirst.
    Du bist mein Sohn.
    Mark.
    Ja.
    Erinnerst du dich an meinen letzten Besuch?
    Du warst noch nie hier. Hier ist noch nie jemand hergekommen.
    Mom, das stimmt nicht. Fiona kommt mehrmals pro Woche. Ich komme mindestens einmal. Aber beim letzten Mal hast du mir gesagt, du wolltest mich nie wieder sehen.
    So etwas würde ich nie sagen. Nie. Egal, was du getan hast. Was hast du denn überhaupt getan?
    Das ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich bin froh, dass das vergessen ist. Du warst nicht gerade … begeistert. Aber jetzt ist alles gut.
    Erzähl’s mir.
    Nein. Lieber nicht. Es freut mich, dass du heute so fit bist. Ich wollte dich fragen, ob du dich an etwas Bestimmtes erinnerst.
    Woran?
    An etwas, das passiert ist, als ich ungefähr siebzehn war. Auf jeden Fall älter als sechzehn, denn ich hatte schon meinen Führerschein. Ich hatte mir dein Auto geliehen, weil ich mit meiner Freundin ins Kino wollte. Erinnerst du dich an Deborah? Du konntest sie nicht leiden. Eigentlich hast du keine meiner Freundinnen gemocht, aber Deborah, mit der ich gegangen bin, als ich auf der Highschool war, konntest du wirklich nicht ausstehen. Jedenfalls hattest du ein paar Kartons voll mit Zeug im Auto. Deborah hat darin rumgekramt, einfach so aus Neugier. Oder vielleicht war es auch boshafte Neugier, denn als sie das Täschchen fand, war sie voller Schadenfreude. Ein geblümtes Plastiktäschchen mit Schminkzeug, das ihrer Meinung nach sehr teuer war.
    Schminkzeug? In meinem Auto? Klingt ziemlich unwahrscheinlich, sage ich.
    Na ja, ich erinnere mich nicht an die Markennamen, aber

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