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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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dieses Gespräch nicht erinnern wirst. Denn ich würde mir wünschen, dass du daran knabberst.
    Wie wütend du bist. Als du kamst, hast du eher versöhnlich auf mich gewirkt. Und jetzt reißt du die Brücken hinter dir ab?
    Die lassen sich wieder aufbauen. Und wieder abreißen. Das ist ein ewiger Kreislauf.
    Sei einfach vorsichtig.
    Warum? Weil es sein kann, dass du dieses Gespräch nicht vergisst?
    Ja. Ich glaube, auf irgendeiner Ebene erinnert man sich an solche Dinge.
    Er steht auf und klopft sich etwas von der Hose. Sein Gesichtsausdruck verändert sich, wirkt auf einmal durchtrieben. Er spricht jetzt leiser und ruhiger.
    Ich glaube, du erinnerst dich. Und Fiona auch. Zum Beispiel an das, was mit Amanda passiert ist.
    Ich antworte nicht.
    Du weißt es, nicht wahr? Dass sie tot ist?
    Ich nicke.
    Er spricht noch leiser, kommt noch näher. Fast bis er mich berührt.
    Und weißt du auch noch mehr als das? Woran erinnerst du dich?
    Raus, sage ich.
    Sag’s mir, flüstert er. Er steht so dicht vor mir, dass ich seine Körperwärme spüre.
    Ich hab gesagt, raus.
    Nein. Ich gehe erst, wenn du’s mir erzählt hast.
    Ich lange nach dem roten Knopf über meinem Bett. Er sieht, was ich vorhabe, seine Hand schießt vor und packt mich am Handgelenk.
    Nein, sagt er. Du wirst dich mit dem Thema auseinandersetzen.
    Ich versuche, mich von ihm loszureißen, aber sein Griff ist eisern. Ich mache eine plötzliche Drehbewegung mit der Hand, bekomme sie frei und schlage auf den roten Knopf. Mark stößt einen kurzen, wütenden Schrei aus, bekommt mein Handgelenk wieder zu fassen und drückt es gegen seine Hüfte. Es tut weh.
    Du weißt genau, dass du schuldig bist, nicht wahr? Du weißt, dass es keinen Ausweg gibt. Ein Geständnis würde jetzt überhaupt nichts mehr nützen. Es würde niemandem nützen.
    Wir hören schnelle Schritte auf dem Flur vor meinem Zimmer. Er lässt mein Handgelenk los. Tritt einen Schritt zur Seite.
    Raus, sage ich.
    Tschüs dann, sagt er. Und ist schon weg.
    M eine Tür ist zu, aber ich bin nicht allein. Obwohl es halbdunkel ist, sehe ich eine Gestalt durch das Zimmer flitzen. Sie tanzt. Als meine Augen sich an das schwache Licht gewöhnt haben, sehe ich, dass es ein kleines Mädchen ist, dünn, mit kurzem, rotbraunem Haar, es windet und dreht sich, gleitet haarscharf an den Möbeln vorbei. Die Kleine reckt die Arme hoch über den Kopf und wackelt mit den Fingern. Sie ist total aufgekratzt. Fast manisch. Kein gesunder Zustand. So aufgeregt, dass sie keine Kontrolle mehr darüber hat.
    Hallo?, sage ich.
    Sie hört auf sich zu drehen und steht plötzlich an meinem Bett. Sie nimmt eine meiner Hände, setzt sich aber nicht auf den Stuhl.
    Mom! Ach, Mom, du bist ja wach! Sie betrachtet mein Gesicht. Mom, ich bin’s, Fiona. Deine … ach, egal. Ich bin nur kurz auf einen Sprung vorbeigekommen. Ihre Worte kommen im Stakkato heraus, selbst jetzt kann sie ihre Gliedmaßen kaum stillhalten, so aufgeregt ist sie, fuchtelt und gestikuliert beim Sprechen. Tut mir leid, dass ich letzte Woche nicht hier war – Examenszeit. Aber jetzt habe ich ein paar Tage frei. Ich werde mir eine kleine Auszeit nehmen. Nur eine Woche, dann geht der Unterricht wieder los. Heute Nachmittag sitze ich schon im Flugzeug. Fünf Tage Paradies! Keine Sorge, ich melde mich. Ich weiß, dass du nicht mehr telefonierst, aber ich werde Laura zweimal täglich anrufen. Und Dr. Tsien hat sich bereit erklärt, ab und zu nach dir zu sehen, während ich fort bin.
    Sie bemüht sich, ein ernstes Gesicht zu machen, während sie mir das erzählt, doch ihre Mundwinkel wollen immer nach oben. Trotzdem würde ich ihren Zustand eher als überreizt diagnostizieren.
    Ich glaube, ich sollte einen Kollegen hinzuziehen, sage ich. Ich mache mir Sorgen. Aber Ihr Zustand fällt nicht in mein Fachgebiet.
    Die junge Frau lacht kurz auf. Borderline hysterisch.
    Ach, Mom, sagt sie. Durch und durch Ärztin.
    Dann holt sie tief Luft, fährt mit den Händen seitlich an ihrem Körper entlang und glättet ihr Kleid. Sie setzt sich neben mich.
    Tut mir leid, sagt sie. Es ist eine Mischung aus Aufregung und Erleichterung. Ein paar freie Tage, um die Früchte meiner Arbeit zu genießen, was ich mir, wie du weißt, nur selten gönne. Aber gestern habe ich mir einfach gesagt: Warum nicht? Also habe ich eine Reise auf die Bahamas

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