Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica
Sahnetopf vom Fensterbrett gestoßen worden war. Er ließ den Schaden reparieren und ein großes Vorhängeschloss anbringen.“
Benedict presste die Lippen zusammen. „Und Sie sagen, dass diese Einbrüche dreimal hintereinander passierten?“
Cranwell nickte. „In allen drei Nächten, seit Sie Ashcroft Grange verließen, Sir. Montagnacht wurde die Bibliothek durchwühlt – jemand hatte die Bücher aus den Regalen gezerrt und auf den Boden geworfen. Am Mittwochmorgen entdeckten wir, dass in mehreren Räumen Schränke durchsucht worden waren, und letzte Nacht hat der Einbrecher die Ölgemälde, die noch im Haus hängen, von den Wänden genommen und die Rahmenkreuze auf den Rückseiten beschädigt.“ Der Bedienstete sah Benedict fragend an, dann setzte er hinzu: „Er scheint das, worauf er es abgesehen hat, noch nicht gefunden zu haben.“
„Das denke ich auch.“ Eine senkrechte Falte erschien an Benedicts Nasenwurzel. In den drei Tagen seines Aufenthalts auf dem Anwesen hatte er sämtliche wichtigen Papiere zusammengetragen und war sich sicher, dass kein wichtiges Dokument in Ashcroft Grange zurückgeblieben war. „Was ich indes nicht verstehe, ist, wie diese Einbrüche geschehen konnten, ohne dass die Dienerschaft etwas davon bemerkte!“
„Pardon, Euer Lordschaft“, erwiderte Cranwell, unbehaglich von einem Fuß auf den anderen tretend, „aber angesichts der Tatsache, dass das Personal auf ein halbes Dutzend Leute reduziert wurde – ganz zu schweigen davon, dass weibliche und männliche Dienstboten in weit auseinanderliegenden Dachgeschossflügeln untergebracht sind …“
„Sie haben recht, Cranwell.“ Nur allzu gut konnte Benedict sich das komplizierte Gewirr von Räumen, Treppenhäusern und Korridoren des Anwesens vor Augen holen. Ashcroft Grange war zu Zeiten Heinrichs des Achten errichtet worden, und jeder der Nachfolger Cedric Ashcrofts, des ersten Earl of Wyvern, hatte dem ursprünglichen Gutshaus Anbauten hinzugefügt und Veränderungen vorgenommen. Heute war der Herrensitz vier Stockwerke hoch, und seine prachtvolle Front wurde von zwei weitläufigen Seitenflügeln flankiert.
Es war annähernd unmöglich, musste Benedict einräumen, dass man in den Dienerkammern im Dachstuhl Lärm vernehmen konnte, den jemand im Erdgeschoss machte – und schon gar nicht, wenn derjenige sich in einem anderen Flügel des Hauses befand.
Er erhob sich aus seinem Sessel und betätigte den Klingelzug. „Ich nehme an, Sie sind mit der Postkutsche gekommen?“, fragte er den Kammerdiener.
Cranwell schüttelte den Kopf. „Nein, Mylord. Angesichts der Dringlichkeit der Sache habe ich mir erlaubt, eine Chaise zu mieten.“
„Das haben Sie gut gemacht, Cranwell“, erwiderte Benedict und lächelte leicht. „Es war vollkommen richtig, mich umgehend zu informieren. Jesmond soll Ihnen eine Kleinigkeit zur Stärkung bringen, und sobald Sie sich genügend ausgeruht haben, werde ich Sie nach Ashcroft Grange begleiten. Wir müssen zusehen, dass wir diesem Unsinn ein Ende machen.“
6. KAPITEL
Die schnöde Absage des Earl beschäftigte Jessica noch Tage nach dem Besuch im Drury Lane Theater.
War Wyvern tatsächlich so hochmütig, dass er einen Besuch bei ihrer Familie für unter seiner Würde hielt? Dank des Respekts, den Lady Sydenham in den feinen Kreisen Londons genoss, hatte man die Beresfords im ton äußerst wohlwollend aufgenommen, und Jessica, für die es stets selbstverständlich gewesen war, dass man zu Hause in Kirton Priors ihre Gesellschaft suchte, hatte sich bemüht, Imogens Ratschlag zu beherzigen und Freundschaften nicht nur mit den jungen Gentlemen, sondern vor allem mit den anderen Debütantinnen zu schließen. Mit Ausnahme des Zirkels um die eingebildete Miss Draycott war ihr das auch gelungen.
Umso schwerer fiel es ihr, Lord Wyverns Missachtung ihrer Person zu akzeptieren. Sicher, sie hatte sich nicht gerade freundlich verhalten, nachdem er ihr und Nicholas zu Hilfe geeilt war, dennoch konnte sie sich nicht erklären, wieso sein mangelndes Interesse an ihr sie dermaßen in Unruhe versetzte. Sie begann unter Schlaflosigkeit zu leiden, und schließlich sprach Imogen sie auf die dunklen Ringe unter ihren Augen an.
„Du siehst kränklich aus, mein Liebes“, stellte die Schwägerin besorgt fest und legte die Stirn in Falten. „Ich fürchte, es waren doch zu viele Bälle und Soireen in der letzten Zeit, und ich denke, dass wir in Zukunft ein paar mehr Einladungen ausschlagen
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