Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica
Sie mir zehn Minuten“, murmelte sie, knickste und kehrte zu Miss Draycott zurück.
Felicity gab sich große Mühe, ihren Neid und ihre Enttäuschung zu unterdrücken, und brannte gleichzeitig vor Neugier. „Sie müssen völlig aus dem Häuschen sein vor Genugtuung, meine Liebe“, empfing sie ihre neue Bekannte. „Man stelle sich vor – Lord Wyvern ist wieder aufgetaucht! Und ich glaubte bereits, er habe der Gesellschaft endgültig den Rücken gekehrt.“ Sie lehnte sich näher zu Jessica. „Was wollte Ihre Ladyschaft von Ihnen? Ich möchte wetten, sie hat Wyvern bereits die Anweisung erteilt, um Ihre Hand anzuhalten, und Sie aufgefordert, seinen Antrag anzunehmen?“
Die Warnung der Dowager Countess noch allzu frisch in Erinnerung, schüttelte Jessica den Kopf. „Nicht ganz“, erwiderte sie fröhlich. „Um die Wahrheit zu sagen – sie machte mir unmissverständlich klar, dass ich mir ihren kostbaren Enkelsohn aus dem Kopf schlagen soll. Daraufhin blieb mir nichts anderes übrig, als schnurstracks zu ihm zu gehen und ihn zum Tanzen aufzufordern.“
„Jessica! Sagen Sie, dass das nicht wahr ist!“, stieß Felicity fassungslos hervor.
„Aber sicher, genau das habe ich getan“, bekräftigte Jessica ohne eine Spur von Reue. „Ich gestatte doch keiner völlig Fremden, mich herumzukommandieren.“ Dann sah sie sich um und fragte stirnrunzelnd: „Sind unsere Begleiter etwa allesamt im Kartenzimmer verschwunden? Ich sehe keinen von ihnen auf der Tanzfläche.“
„Nein“, erwiderte Felicity lächelnd. „Da mit einem großen Andrang zu rechnen ist, wenn in Kürze zu Tisch geläutet wird, haben sich die Gentlemen entschieden, den letzten Tanz vor dem Essen auszulassen und uns stattdessen unsere Plätze zu sichern, damit wir alle beieinander sitzen können.“
„Nun, dann werde ich die Zeit nutzen und kurz ins Damenzimmer verschwinden“, erklärte Jessica und erhob sich. Aus dem Augenwinkel sah sie flüchtig, dass Lord Wyvern durch eine der Fenstertüren auf die Terrasse trat. Sie hatte keine Minute zu verlieren. „Wir sehen uns dann im Speisesaal. Ich beeile mich.“
Da sie nicht denselben Weg nehmen konnte wie der Earl, durchquerte sie den Ballsaal und trat in der Hoffnung, einen anderen Ausgang nach draußen zu finden, in den angrenzenden Korridor hinaus. So unauffällig wie möglich schlenderte sie zur nächsten Tür, öffnete sie und trat in das dahinterliegende Zimmer. Der Raum war nicht erleuchtet, doch zu ihrer Erleichterung führten die Glastüren am gegenüberliegenden Ende ins Freie, wie sie am warmen Schein der bunten Lampions, die in den Bäumen hingen, erkennen konnte.
Als Hazlett vernahm, dass die Tür zur Bibliothek von Conyngham House, in die er sich für eine Weile zurückgezogen hatte, sacht geöffnet und wieder geschlossen wurde, erstarrte er in seinem hochlehnigen Ledersessel. Er ließ die schlanke Frauengestalt, die sich vorsichtig durch den dunklen Raum tastete, nicht aus den Augen und war im höchsten Maß überrascht, als er kurz darauf feststellte, dass es sich bei der Unbekannten, die, kaum dass sie auf die Terrasse getreten war, in die Arme des plötzlich aufgetauchten Earl of Wyvern sank, um Miss Jessica Beresford handelte.
Geräuschlos stemmte der Viscount sich aus seinem Sessel hoch und trat in den Schatten der schweren Samtportiere neben den französischen Türen. Beim Anblick des eng umschlungenen Paares kräuselten sich seine Lippen zu einem höhnischen Lächeln.
Wenn dies nicht genau das Druckmittel war, das er brauchte, sollte Wyvern sich weigern, ihm die Besitzurkunde auszuhändigen! Nachdem er kürzlich beschlossen hatte, seine eigenen – ebenso kostspieligen wie fruchtlosen – Nachforschungen nach dem Dokument einzustellen und stattdessen einfach abzuwarten, bis der Earl selber darauf stieß, war er nun mehr als zuversichtlich, das Schriftstück in die Hände zu bekommen, sobald Wyvern es fand. Nach einem letzten triumphierenden Blick auf das schemenhafte Paar auf der Terrasse wandte er sich um und verließ den Raum, um sich seinen Freunden im Kartenzimmer anzuschließen.
Als sie in Lord Wyverns ausgebreitete Arme taumelte, waren sämtliche Zweifel, die sie je an ihm gehabt hatte, auf einen Schlag vergessen. Ohne nachzudenken, verschränkte Jessica ihre Hände in seinem Nacken und drängte sich ihm entgegen.
Flüssiges Feuer schien durch ihre Adern zu rasen, als sein Mund im nächsten Moment auf ihren traf und er sie näher an sich zog. Seine Leidenschaft
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