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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Hilfe lässt sich mit der sogenannten Spiegeltechnik, auch bekannt als Chamäleon-Effekt, die eigene Anziehungskraft spürbar aufhübschen.
    Die Erkenntnis ist nicht sonderlich schmeichelhaft, aber sie trifft den Nagel auf den Kopf: Wer uns imitiert, den mögen wir   – und glauben ihm zuweilen mehr, als wir sollten. Die Wirkung dieses Effekts lässt sich auch im Alltag beobachten: Verliebte Paare sind zum Beispiel ganz typische Vertreter, ebenso befreundete Kollegen in der Kantine. Je sympathischer die sich sind, desto schneller synchronisieren sich ihre Worte und Körpersprache: Sie dreht ein paar Locken in ihren Haaren, bald darauf fährt er sich mit der Hand durch die Schläfen. Er knetet sein Kinn und streift mit dem Daumen über den Mund, wenig später befeuchtet sie lasziv ihre Lippen. Sie redet gern von ihren »wahnsinnig aufregenden« Schuhen   – er gesteht, wie »wahnsinnig aufregend« er sie findet.
    Sozialpsychologen würden an dieser Stelle vermutlich sagen: »typisch Resonanz-Phänomen«. Immer dann, wenn starke Emotionen ins Spiel kommen, erzeugen sie bei uns unbewussten Widerhall. Schenkt uns jemand ein charmantes Lächeln, grinsen wir unwillkürlich zurück.
    Besonders Mikrogesten wie Grinsen, Gähnen, an der Nase kratzen, Beine übereinanderschlagen oder einen Schluck trinken wirken ungeheuer ansteckend, so die Erkenntnisse von Tanya Chartrand und John Bargh, die das Phänomen 1999 genauer erforschten. Ihre Probanden, die sich zum ersten Mal begegneten, ahmten Berührungen im Gesicht zu 20   Prozent nach, das Übereinanderschlagen von Beinen gar zu 50   Prozent. Voraussetzung dafür ist, dass sich die beiden Menschen mögen und verstehen, wie wiederum der niederländische Psychologe Rick van Baaren von der Universität Nijmegen in seinen Untersuchungen über das unbewusste Imitieren nachwies.
    Was dahintersteckt? Zunächst einmal unser Bedürfnis nach Harmonie und Symmetrie. Wer sich ausgegrenzt fühlt, imitiert andere umso heftiger. Gleichzeitig übernimmt das Verhaltensmimikry eine wichtige zwischenmenschliche Aufgabe: Es bildet eine Art sozialen Klebstoff. Die Psychologie unterscheidet dabei drei Verhaltensweisen:
Matching: Die Körpersprache des Partners wird unbewusst taxiert und zunächst nur zu maximal 50   Prozent durch die eigene reflektiert.
Pacing: Körpersprache, Gestik, Mimik, Sprache werden zunehmend synchronisiert.
Rapport: Nahezu vollständige Symmetrie   – beide Partner nehmen jedes Mal durch ihr Verhalten aufeinander Bezug.
    Verantwortlich für diese Muster sind unter anderem die sogenannten Spiegelneuronen. Entdeckt wurden sie 1996 von den beiden Forschern Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti von der Universität Parma. Damals untersuchte das Duo die Hirnströme von Makaken, während diese mit Gegenständen hantierten. Dabei stellten sie fest, dass deren Nervenzellen schon Signale abfeuerten, als der Versuchsleiter die Gegenstände in die Hand nahm, um sie den Affen zu geben. Eine Art Vorfreude   – wobei das Gehirn genauso aktiv wurde wie beim eigentlichen Spielen. Als Gallese und Rizzolatti ihre Untersuchungen ausweiteten, stellte sich heraus, dass das Spielzeug gar nicht nötig war: Es genügte der Anblick eines fuchtelnden Artgenossen, damit die grauen Zellen der Affen genauso in Aufregung gerieten, so als würden sie selbst spielen. Bei Drohgebärden, Wut oder Schmerz passierte dasselbe.
    Inzwischen ist klar, dass es auch bei Menschen Nervenzellen gibt, die eine Art biologische Basis für Sympathien bilden: Sobald wir jemanden beobachten, der dieselben Verhaltensmuster zeigt wie wir, feuern diese Neuronen. Damit bildet symmetrisches Verhalten zugleich einen veritablen Spiegel, aus dem sich ablesen lässt, wie harmonisch eine Beziehung oder eine Unterhaltung in Wahrheit ist.
    Der Chamäleon-Effekt bewirkt aber noch mehr. Er lässt sich gezielt dazu einsetzen, um etwa die Distanz zum Gegenüber, dessen Vorbehalte oder Ängste abzubauen   – vorausgesetzt, man geht äußerst subtil vor. Experten warnen nämlich eindringlich davor, Menschen zu spiegeln oder gar nachzuäffen, die einem feindselig gegenüberstehen. Die Imitation könnte die Ablehnung dann eher verstärken, ist die Psychologin Katja Likowski von der Universität Würzburg überzeugt. Richtig eingesetzt aber sorgt die Spiegeltechnik dafür, dass Sympathie gar zu einer Art selbsterfüllender Prophezeiung wird.
    Wenn wir glauben, dass uns ein anderer Mensch mag, dann verhalten wir uns demjenigen

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