Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
trotz seiner Niederlage der Politikerkaste eines hinterlassen: den Planwagen. Von nun an nutzten zahlreiche Politiker ein solches Gefährt, um vor Wahlen durch die Lande zu touren. Der Spruch »Jump on the bandwagon« wurde gar zum geflügelten Wort. Und davon abgesehen war es ohnehin viel bequemer, auf dem Wagen zu sitzen und sich von Pferden ziehen zu lassen, als zu Fuß von Wahlkreis zu Wahlkreis zu pilgern.
Der Planwagen steht bei besagtem Effekt auch als Symbol dafür, dass man sich von anderen ziehen lässt, ohne selbst anstrengende Entscheidungen treffen zu müssen. Wie eben beim Trampelpfad. Nicht selten lassen wir uns aus purer Gruppendynamik manipulieren. Psychologen nennen dieses Phänomenauch Konformität. Am deutlichsten wird dies an einem inzwischen legendären Experiment.
Schauen Sie sich bitte die vier Linien genau an. Welche der Linien A, B, C ist genauso lang wie die Linie links? Nein, wir wollen Sie nicht veräppeln. Auch wenn die Lösung mehr als offensichtlich ist, antworten eben nicht alle mit »C«. Im Jahr 1951 stellte der U S-Psychologe Solomon Asch seinen Versuchsteilnehmern wiederholt exakt dieselbe Frage. Und um die Pointe vorwegzunehmen: Ganze 76 Prozent der Probanden entschieden sich mindestens einmal für die Linien A oder B und widersprachen damit ihren eigenen Sinneseindrücken. Wie konnte das geschehen?
Ganz einfach: Asch hatte die Probanden in einen Raum gebeten, in dem bereits eine Gruppe saß. Was die Neuankömmlinge nicht wussten: Bei diesen Teilnehmern handelte es sich um eingeweihte Komplizen. Nun zeigte Asch allen das obige Bild und befragte sie zu Übereinstimmungen der Linienlänge. Bei den ersten Durchgängen stimmten noch alle so ab, wie sie die Linien tatsächlich wahrnahmen (Kontrolldurchgang), danach aber votierten Aschs Undercover-Agenten absichtlich falsch und erzeugten so eine Art Gruppenzwang. Was dabei herauskam, überraschte selbst Asch und sein Team: 50 Prozent der Probanden gaben in mehr als der Hälfte der Abstimmungsrunden eine offensichtlich falsche Antwort und schlossen sich damit der Mehrheit an. Nur jeder vierte Teilnehmer monierte, dass hier offenbar eine Gruppe versuche, das Ergebnis zu beeinflussen. Fünf Prozent zeigten regelrecht blinden Gehorsam, indem sie kategorisch mit der Mehrheit stimmten.
Später befragte der Sozialpsychologe die Versuchsteilnehmer, warum sie sich gegen ihre eigene Meinung und Wahrnehmung entschieden hätten. Die Begründungen waren bemerkenswert:So gaben einige an, zunächst unsicher gewesen zu sein. Weil sich aber die Mehrheit sicher schien, hätten sie zugestimmt. Andere räumten ein, Angst vor Repressalien gehabt zu haben, wenn sie sich gegen die Mehrheit stellten. Wieder andere wollten nicht mit einer abweichenden Meinung aus der Gruppe hervorstechen. Und einige wenige behaupteten sogar, es tatsächlich genauso wie die Mehrheit gesehen zu haben.
Weil Aschs Ergebnisse zu Gruppendynamik und Gruppenzwang so beeindruckend waren, inspirierten sie viele weitere Wissenschaftler zu ähnlichen Versuchen. Die Prozentzahlen der gezeigten Anpassungsbereitschaft variieren dabei zwar immer ein wenig, im Kern aber läuft es auf dasselbe hinaus: Viele Gruppenentscheidungen sehen nur so aus, als würden sie auf Objektivität oder einem rationalen Konsens basieren (siehe auch Abilene-Effekt). In Wirklichkeit sind sie auf Konformität zurückzuführen, weshalb sie uns zu suboptimalen Handlungen verleiten können – wenn nicht gar zu objektiv falschen.
Immerhin: Es gibt ein paar Faktoren, die unseren Hang zur Übereinstimmung stärker oder schwächer werden lassen:
1. Gruppengröße: Bei drei bis fünf Personen ist der Konformitätsdruck am größten.
2. Reziprozität: Viele fühlen sich zu einer Gegenleistung verpflichtet, wenn man ihnen zuvor einen Gefallen getan hat (siehe auch Ben-Franklin-Effekt).
3. Kultur: In Asien ist der Gruppendruck größer, hier gehört Konformität traditionell zum guten Ton. Der Westen hingegen legt mehr Wert auf Individualität.
Es ist in der Tat nicht leicht, diesem Herdentrieb zu widerstehen. Aber einer muss den Anfang machen. Studien zeigen, dass die Übereinstimmung bereits schrumpft, sobald nur eine Person widerspricht.
D ER F ALSCHE-KONSENSUS-EFFEKT
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