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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bei realen Gerichtsverhandlungen immer unrealistischere Erwartungen an die Forensik und ihre Möglichkeiten stellten. Flankiert wird diese Beobachtung durch Studien Evan Durnals von der Universität von Central Missouri. 2010 stellte er in umfangreichen Untersuchungen fest, wie sehr das amerikanische Justizwesen bereits vom CS I-Effekt geprägt wird. In einem Mordprozess war der Jury beispielsweise aufgefallen, dass ein blutverschmierter Mantel zwar als Beweisstück diente, jedoch nicht auf DN A-Spuren untersucht worden war. Die Geschworenen beharrten nun darauf, dass dies den Angeklagten überführen könne   – übersahen aber, dass der bereits zugegeben hatte, am Tatort gewesen zu sein. Der DN A-Test hätte also nichts bewiesen, was nicht schon längst bekannt war.
    Ähnlich verhielt es sich bei einer Umfrage, die Monica Robbers 2008 erstellt hatte. 62   Prozent der Anwälte und 69   Prozent der Richter beklagten darin, dass die Geschworenen falsche Vorstellungen von der Arbeit eines Gerichtsmediziners haben. Jeder Zweite gab an, dass die Auswahl einer passenden Jury dadurch länger dauere. Nicht, weil sich niemand freiwillig melde, sondern weil es so schwer sei, Geschworene zu finden, die ihre Kriminalvorstellungen nicht allein aus Fernsehserien speisten. Und nicht zuletzt schauen freilich auch Verbrecher gelegentlich fern. Seitdem die Autoren solcher T V-Formate intensiv mit der Polizei zusammenarbeiten, um ein möglichst realistisches Bild zu zeichnen, verraten sie letztlich auch Kapitalverbrechern, worauf diese zu achten haben. Entsprechend tragen Mörder nunhäufiger Handschuhe und verwenden häufiger Bleiche, um ihre DN A-Spuren zu verwischen   – allesamt Lektionen aus CSI.   Das macht den Job der Ermittler am Tatort nicht gerade leichter.
    Wenigstens eine positive Nebenwirkung lässt sich allerdings auch erkennen: So sorgte der CS I-Effekt dafür, dass in den vergangenen fünf Jahren die Zulassungszahlen für biologische, chemische und medizinische Fächer an amerikanischen Universitäten stark gestiegen sind. Es gibt deutlich mehr Interesse für den Beruf des Forensikers. Auch wenn dessen Alltag am Ende nur wenig mit dem seiner Fernsehvorbilder zu tun hat.

D ER WERTHER-EFFEKT
    Warum Selbstmorde unerwähnt bleiben sollten
    Gelbe Hose, gelbe Weste, blauer Rock   – diese eigenwillige Farbkombination wählte Johann Wolfgang Goethe für den Helden des Romans ›Die Leiden des jungen Werther‹. Die Handlung der Geschichte: Der angehende Jurist Werther hat sich unsterblich in Lotte verliebt, die allerdings schon mit Albert verlobt ist. Also beklagt sich Werther bei einem Freund immer wieder in Briefen über seine unerfüllte Sehnsucht. Das Ende ist tragisch: Weil Werther nicht ohne Lotte leben will, erschießt er sich. Nicht unbedingt eine der brillantesten Ideen Goethes. Denn damit ging alles erst los.
    Als die Erstausgabe 1774 erschien, war Goethe noch weitgehend unbekannt. Das änderte sich schlagartig. Nicht trotz, sondern wegen der tragischen Handlung. Für die Jugendlichen der damaligen Zeit war Werther ein echter Held. Und so entstand erstmals so etwas wie Merchandising: Es gab Werther-Mode und Werther-Tassen. »Die Wirkung dieses Büchleins war groß«, schrieb Goethe später, »ja ungeheuer.« Wie wahr! Parallel zurWerther-Mode häuften sich kurz nach Erscheinen des Buchs in verschiedenen Ländern Europas die Suizide junger Männer. Viele trugen dabei gelbe Hose, gelbe Weste und blauen Rock. Andere hatten den Roman in der Tasche, als sie aus dem Leben schieden. Manche Mütter gaben daraufhin Goethe die Schuld: »Auch mein Sohn hatte mehrere Stellen im Werther angestrichen. Von euch wird Gott Rechenschaft fordern«, klagte eine.
    Man könnte dieses Drama abtun als Phänomen der damaligen Zeit. Und läge damit dramatisch daneben. Die Gesetzmäßigkeit gibt es nach wie vor. Auch wenn das Medium Buch inzwischen von Fernsehen, Radio und Internet überholt wurde   – den Nachahmersog lösen sie ebenfalls aus. Als Werther-Effekt benannt hat ihn ein Amerikaner, der Soziologe David Philipps. Genau 200   Jahre nach dem Erscheinen von Goethes Werk veröffentlichte er eine Studie, in der er zum Schluss kam, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt zwischen der Berichterstattung über Selbstmorde und Suiziden in der Gesamtbevölkerung.
    Als sich zum Beispiel der Ku-Klux-Klan-Boss Daniel Burros am 1.   November 1965 umbrachte und die Medien landesweit darüber schrieben, gab es im selben Monat 1710

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