Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Prozent erinnerten sich, dass ihre Umgebung nicht durchweg positiv darauf reagierte. Tränen lügen in der Regel zwar nicht – aber wer das vor allzu großem Publikum tut, riskiert, dass sein Kummer für eine strategische Flennerei gehalten wird. Zum Beispiel, um Beißhemmungen zu provozieren oder einen Beschützerinstinkt zu wecken. Besser also, man heult sich nur an einer Schulter aus. Dann können Tränen sogar menschliche Bindungen stärken, wie der israelische Biologe Oren Hasson herausfand.
D AS FEEL-GOOD-DO-GOOD-PHÄNOMEN
Warum gute Laune hilfsbereiter macht
Wer Gutes tut, der fühlt sich hinterher besser. Das weiß, wer schon einmal einem Freund beim Umzug geholfen hat. Oder (s)einer Freundin die Haare aus dem Gesicht gehalten hat, während sich diese den zuvor einverleibten Alkohol noch einmal durch den Kopf gehen ließ. In solchen Momenten blickt der Herrgott mit einem Lächeln auf den Samariter herab und das Lebenfühlt sich anschließend erhabener und edler an. Was nicht zuletzt auch an ein paar biochemischen Prozessen liegt, die sich die Evolution ausgedacht hat, um spontanes Gutmenschentum zu belohnen. Die Wissenschaft ist jedenfalls nicht arm an Beispielen, die zeigen, dass etwa Ehrenamtliche, die lediglich zwei Stunden pro Woche irgendwo aufopferungsvoll mithelfen, nachhaltig ihre Gesundheit verbessern und damit selbst das Risiko psychischer Erkrankungen senken können.
Nun kann man einwenden, dass dieses Phänomen weder neu ist, noch kurzfristig aufflammende Glücksgefühle einen anhaltenden Effekt hätten. Ersteres stimmt, Letzteres nicht.
Nehmen wir Carolyn Schwartz, Wissenschaftlerin an der Medical School der Universität von Massachusetts. Sie untersuchte vor einiger Zeit, welche positiven Effekte regelmäßige Seelsorge auf Patienten mit Multipler Sklerose hat. Wenig überraschend tat es den Erkrankten gut, wenn andere sich regelmäßig nach ihrem Befinden erkundigten und ihnen ein offenes Ohr schenkten. Doch Schwartz machte eine noch viel erstaunlichere Entdeckung: Der gesundheitliche Effekt war bei den Helfern ungleich größer. Ihr körperlicher wie seelischer Zustand verbesserte sich durch die gute Tat enorm. Das fachte Schwartz’ Wissensdurst erst recht an, woraufhin sie rund 2000 Mitglieder einer presbyterianischen Gemeinde genauer unter die Lupe nahm. Und auch hier: Wer regelmäßig ehrenamtlich half, war signifikant glücklicher und gesünder als der Rest der Gemeinde. Das passt auch zu Untersuchungen an der Universität von Michigan. Hier stellte man fest, dass ältere Menschen, die anderen helfen – entweder ehrenamtlich oder indem sie einfach nur gute Nachbarn sind –, im Vergleich zu selbstsüchtigen Altersgenossen ein um 60 Prozent geringeres Risiko haben, vor dem Erreichen der durchschnittlichen Lebenserwartung zu sterben.
Lebensfreude – ausgelöst etwa durch gute Taten – kann indirekt sogar zu beruflichem Erfolg führen. Untersuchungen von Alice Isen zufolge, einer Psychologie-Professorin an der Cornell-Universität in New York, sind Gutgelaunte in zahlreichen Unternehmenpopulärer, werden von ihren Vorgesetzten besser bewertet und erzielen am Ende auch höhere Einkommen.
Bevor Sie das Buch zur Seite legen, ein strahlendes Lächeln aufsetzen und Karriere machen: Der unglaublichste Effekt folgt erst jetzt. Ganz offenbar besteht der kausale Zusammenhang von Hilfsbereitschaft und psychischem wie physischem Wohlbefinden auch in entgegengesetzter Richtung. So stellten Soziologen fest, dass begeisterte und motivierte Menschen eher zum Samaritertum neigen als normal oder gar schlecht gelaunte. In der anglophonen Sprache der Wissenschaft ist dieser Zusammenhang als Feel-Good-Do-Good-Phänomen bekannt.
»Wir haben in diversen Studien festgestellt, dass glückliche Menschen hilfsbereiter sind«, sagt etwa David Myers, Sozialpsychologe am Hope College und Autor des Buchs ›The Pursuit of Happiness‹. Hinter der scheinbar lapidaren Aussage stecken durchaus amüsante Experimente. Eines davon ging zum Beispiel so: Die Forscher präparierten Münzfächer von Telefonzellen mit Vierteldollar-Stücken. Bis auf wenige unverbesserliche Griesgrame freuten sich die meisten zufälligen Zellenbesucher über den plötzlichen Geldsegen. In unmittelbarer Umgebung der Fernsprecher hatten die Wissenschaftler zuvor Bettler postiert, die um ein Almosen baten. Und tatsächlich: Wer durch die scheinbare Gunst des Schicksals zu etwas Geld gekommen war, gab davon
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