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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Rechtfertigungsdrang ebenfalls im Abfluss verschwand   – und nicht nur der.
    2008 stellte die Psychologin Simone Schnall von der Universität von Plymouth fest, dass schon die bloße Assoziation von Reinheit milder stimmt. Sie ließ 40   Studenten moralische Dilemmata bewerten, etwa das Einstecken einer gefundenen Brieftasche. Vorher allerdings wurden sie gebeten, Wortpaare zu bilden   – die einen arbeiteten mit neutralen Begriffen, die anderen mit Wörtern rund um das Thema Sauberkeit, Seife und Waschen. Fazit: Die zweite Gruppe fand das moralische Vergehen gar nicht so schlimm.
    Wie das kommt? Nach jeder bewusst getroffenen Entscheidung hat der Mensch das mehr oder minder dringende Bedürfnis, diese vor sich selbst zu rechtfertigen. Ein Entschluss beinhaltet ja nicht selten, sich für die eine und gegen die andere Alternative entschieden zu haben. Oft sind Freunde oder Partner involviert, was zu veritablen Gewissensbissen führen kann. Das Händewaschen lindert diesen Rechtfertigungsschmerz. Demnach gilt nach schweren Entscheidungen: ab ans Waschbecken!

DAS IMPOSTOR-SYNDROM
    Warum sich manche keinen Erfolg gönnen
    Zweifel kennt jeder. Insbesondere, wenn es um Alles-odernichts-Phasen geht, erleben die meisten Menschen einen kurzen Angstmoment, begleitet von der Furcht vor der eigenen Chuzpe und der klammen Frage: »Was mache ich hier überhaupt?« Auf der Bühne nennt man das Lampenfieber, im Hörsaal Prüfungsangst und im Job Meeting   – nur, dass bei Letzterem meist die Angst fehlt.
    Es gibt Menschen, die selbst nach einer glücklich überstandenen Klausur oder Präsentation unfähig sind, an ihre eigene Leistung zu glauben. Vielmehr sind sie davon überzeugt, ihre Erfolge durch Charme, durch Beziehungen oder durch Glück erreicht zu haben, nicht aber dank ihrer Fähigkeiten. Sie halten sich   – völlig zu Unrecht   – für Hochstapler und fürchten, ihr vermeintlicher Bluff könnte schon bald auffliegen. Impostor-Syndrom (vom englischen Wort für »Betrüger«) wird das in der Fachsprache genannt. Die Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes identifizierten es erstmals 1978.   Auslöser für das Syndrom ist nicht selten die Suche nach Perfektion, die Betroffenen setzen sich selbst zu hohe Ziele. Gewiss, Kompromisslosigkeit und der Wille, immer der Beste zu sein, können enorm motivieren. Häufiger aber führen sie in eine Abwärtsspirale. Egal, was man erreicht, es reicht nicht.
    Impostoren ahnen das   – und suchen trotzdem noch das Haar in der Suppe, während andere schon beim Nachtisch sind. Es ist wie bei einem Experten, der von seinem Kollegen um Rat gebeten wird. Schon während seiner Analyse oder Empfehlung denkt er: »Es gibt garantiert eine bessere Antwort.« Oder: »Wahrscheinlich wird er gleich merken, dass ich keine Ahnung habe!« Die U S-Schauspielerin Jennifer Aniston aus der T V-Serie ›Friends‹ gestand einmal der amerikanischen ›Vogue‹: »In der Nacht vor einem Fotoshooting denke ich oft: Warum solltestausgerechnet du in einem Magazin zu sehen sein? Ich bekomme dann regelrecht Panik.« Das klingt schon stark nach Impostor. Entsprechend leben solche Menschen in ständiger Sorge vor Enttarnung und Bloßstellung. Allerdings wohlgemerkt: nur eingebildet.
    Interessanterweise sind davon vor allem Frauen betroffen sowie Menschen, die überdurchschnittliche Leistungen erbringen. Etwa als Fachkraft oder im Topmanagement. »Manche Manager sind nach einer gewissen Zeit an der Unternehmensspitze derart verunsichert und desillusioniert, dass sie unbewusst das Desaster suchen«, stellte zum Beispiel der niederländische Psychoanalytiker und Management-Professor Manfred Kets de Vries Anfang 2008 in einem Interview im ›Manager Magazin‹ fest. Die Betroffenen »riskieren einen Skandal, sie kaufen Firmen ohne vernünftige Prüfung der Bilanz, sie fordern das Schicksal heraus«.
    Birgit Spinath, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Heidelberg, ist eine der wenigen Forscherinnen in Deutschland, die sich intensiv mit dem Impostor-Phänomen auseinandergesetzt haben. Sie ist heute davon überzeugt, dass die Betroffenen nur schwer von alleine wieder aus ihrem inneren Kreislauf herausfinden. Weil sie glauben, die geforderten Fähigkeiten nicht zu besitzen, bereiten sie sich zwar besonders intensiv auf ihre Herausforderung vor. Falls sie den Test dann trotzdem nicht bestehen, fühlen sie sich in ihrer vermeintlichen Hochstapelei noch mehr bestätigt   –

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