Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Rampenlicht vergessen wir meist eine nicht unerhebliche Kleinigkeit: Andere Menschen interessiert das womöglich so sehr, wie wenn in Mexiko ein Sack Mais umfällt. Kurz: Wir erliegen dem Spotlight-Effekt.
Den Ausdruck prägte der amerikanische Psychologe Thomas Gilovich von der Cornell-Universität. In verschiedenen Experimenten fand er heraus: Wir überschätzen regelmäßig die Wirkung, die unsere Aktionen bei anderen hinterlassen. In einem der Versuche ließ er 109 Studenten ein, nun ja, gewagtes T-Shirt tragen. Darauf abgebildet war das Konterfei des Popsängers Barry Manilow (»Mandy«). Der gilt heute als in etwa so cool wie ein Bausparvertrag. Die Aufgabe der Studenten bestand nun darin, mit dem T-Shirt einen Raum voller Kommilitonen zu betreten. Nach einigen Minuten sollten sie wieder herauskommen und schätzen, wie viele sich über ihr T-Shirt lustig gemacht hatten. Im Schnitt vermuteten die Testpersonen, dass etwa die Hälfte der Anwesenden das Manilow-Shirt bemerkt und sich darüber negativ geäußert hätte. Doch das war falsch. Nicht einmal ein Viertel der Studenten hatte davon überhaupt Notiz genommen. Dieselbe Beobachtung machte Gilovich allerdings auch, als er seine Probanden einer deutlich angenehmeren Situation aussetzte. Nun sollten sie sich an einer Diskussion beteiligen. Wiederüberschätzten alle maßlos, wie sehr die Anwesenden von ihren Argumenten beeindruckt waren.
Mal fällt man auf, mal fällt man nur. »Shit happens«, sagt der Angelsachse gelassen und fragt sich sogleich: »So what?!« Na und? Was soll’s! Und das ist enorm erleichternd (siehe auch Pratfall-Effekt im Anschluss). Denn die Haltung befreit vom Zwang, perfekt sein zu müssen. Oder wie das deutsche Popgirlie Lucilectric einst sang: »Isses nich, isses nich schön, du bist peinlich und jeder hat’s geseh’n.«
DER PRATFALL-EFFEKT
Warum Missgeschicke attraktiv machen
Niemand mag Menschen, die vollkommen sind. Fehlerfreiheit wird allenfalls Göttern zugestanden. An Menschen indes mutet sie fabelhaft an. Jedoch im Wortsinn. Klar, wer kompetent und intelligent ist (oder zumindest für eine Weile so tut), wirkt attraktiv. Wer aber seine Makellosigkeit allzu offensichtlich zur Schau stellt, schürt nur Minderwertigkeitsgefühle, Neid und Intrigen. Schon 1966 stellten Wissenschaftler fest, kompetente Menschen sind nur dann sympathisch, wenn sie auch ein paar Flecken auf der sonst blütenweißen Weste besitzen. Perfektion ist eben alles andere als perfekt.
Elliot Aronson, ein amerikanischer Psychologe und emeritierter Professor der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, hat sich in seiner beruflichen Laufbahn vor allem mit sogenannten kognitiven Dissonanzen beschäftigt. Das sind in der Regel als unangenehm empfundene Gefühlszustände, die dadurch entstehen, dass zwei gegensätzliche Wahrnehmungen, Meinungen oder Wünsche aufeinanderprallen:
Ich möchte diese Schokolade jetzt essen, aber ich möchte auch abnehmen. Ich würde gerne
mit dieser Frau flirten, aber daheim wartet meine Partnerin. Ich hätte eigentlich was anderes zu tun, aber ich möchte unbedingt wissen, wie diese Geschichte ausgeht.
Unter Psychologen ist Aronson so etwas wie eine Legende. In der 12 0-jährigen Geschichte der American Psychological Association gelang ihm bisher als Einzigem das Kunststück, alle drei großen Auszeichnungen einzuheimsen: 1973 den für hervorragendes Schreiben, 1980 den für hervorragende Lehre und 1999 den Preis für hervorragende Forschung – so was wie der Nobelpreis für Psychologen. Das ist schon sehr nahe an Perfektion. Aronson machte klugerweise trotzdem nie sonderlich viel Aufhebens darum. Er wusste es aus seinen eigenen Experimenten schließlich besser. So spielte er seinen Probanden einmal Tonbänder vor, auf denen verschiedene Personen Quizfragen beantworteten. Gelegentlich war deutlich zu hören, wie die Kandidaten einen Becher Kaffee verschütteten. Ergebnis: Wem dieses Missgeschick widerfuhr, wurde von den Probanden durchweg sympathischer eingeschätzt – allerdings nur dann, wenn er viele der Fragen auch korrekt beantwortete. Wer hingegen in dem Quiz versagte und zu allem Überfluss auch noch seine Tasse umschmiss, fiel in der Bewertung deutlich zurück. Aronson schloss daraus, dass die Attraktivität einer als kompetent eingeschätzten Person steigt, wenn sie einen kleinen Fehler offenbart. Dieses Phänomen taufte der Psychologe Pratfall-Effekt (Pratfall heißt so viel wie »Reinfall«).
Damit Sie
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