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Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wird.
    Lässt sich diese psychologische Schwäche auch zum Vorteil nutzen?
    Absolut. Wir treffen unsere Entscheidungen ja nicht allein, sondern aufgrund früherer Erfahrungen   – mit allen Vor- und Nachteilen   …
    … und wie setzen Sie den Anker-Effekt für sich ein?
    Ich will natürlich nicht zu viel verraten, daher nur ein Beispiel. Am Ende jedes Semesters sollen die Studenten immer die Kurse und Professoren bewerten. Einmal habe ich sie vorher gebeten, 15   Wege aufzuschreiben, wie meine Vorlesung besser werden könnte. 15 ist freilich viel zu viel verlangt, so viele Verbesserungsvorschläge fallen niemandem ein. Also denken sich die Studenten: Wenn mir noch nicht mal 15   Ideen einfallen, kann diese Vorlesung ja nicht so schlecht gewesen sein   – und geben mir bessere Noten.

D AS KONTRASTPRINZIP
    Wie schlechte Nachrichten sofort besser wirken
    Mein geliebter Ehemann!
     
    Ich sende dir diesen kleinen Gruß aus meinem Kurzurlaub, den du mir zum Geburtstag geschenkt hast. Paris ist phantastisch! Schon
am ersten Tag habe ich eine neue Freundin gefunden   – Julie. Sie kann unglaublich gut küssen. Ganz anders als ein Mann. Am selben Abend noch sind wir zusammen in einen wahnsinnig aufregenden Club gegangen. Julie hat mir so ein Pulver angeboten, das man durch die Nase einatmet. Danach haben wir mit ihren Freunden   – Antoine, Romain, Baptiste und Hugo   – getanzt und gefeiert. Diese jungen Franzosen! Auch als wir danach noch alle zusammen zu Julie gefahren sind, waren die vier très charmant zu mir. Ich kann mich zwar nicht mehr genau erinnern, wie die Nacht endete, ich war wohl etwas zu beschwipst, aber am nächsten Morgen hat mir Julie ein paar hundert Euro geschenkt und gesagt, sie hätte noch nie ein solches Naturtalent erlebt, und ich könnte sie jederzeit wieder besuchen.
    Bevor ich es vergesse: Es gibt übrigens gar keine Julie, keine Drogen, keine vier Franzosen   … Aber ich habe mir gestern in der Rue Jean-Jacques Rousseau diese sündhaft teuren Schuhe von Christian Louboutin gekauft, und ich möchte nur, dass du das im richtigen Verhältnis siehst, wenn ich wieder zu dir zurückkehre   …
    1000   Küsse!
    Helena
     
    Alles ist relativ. Davon war schon Universalgenie Albert Einstein überzeugt. Er selbst meinte damit zwar vor allem Zeit, Masse und Raum. Doch das Prinzip lässt sich ohne Weiteres auch auf unsere Bewertungsmuster übertragen. Es ist wie in dem obigen Brief: Wenn uns zwei starke Reize unmittelbar hintereinander dargeboten werden, wirft das unsere Wahrnehmung kräftig aus der Bahn, und wir reagieren kaum noch objektiv. Wenn Sie zum Beispiel aus einer 90   Grad heißen Finnensauna hinausstürzen und sich in den Schnee werfen, kommt Ihnen der zunächst gar nicht mal so kalt vor. Vorläufig jedenfalls. Wenn Sie wiederum im Fitnessstudio eine halbe Stunde lang 60   Kilo gestemmt haben, wird Ihnen die Flasche Wasser danach unendlich leicht vorkommen. Und wenn Sie Ihrem Partner eine schlechte Nachricht so raffiniert wie oben zusammen mit einer guten präsentieren,wirkt die schlechte nur noch halb so schlimm auf ihn. Falls Ihr Partner den Spaß leider nicht versteht und Ihnen anschließend eine Szene macht, nennt man das: Kollateralschaden. Die Wirkung zweier stark entgegengesetzter Reize hingegen nennt man Kontrastprinzip.
    Kinder machen sich die Macht dieses Psychoeffekts regelmäßig zunutze: »Papa, ich hab dich ja sooooooo lieb   … übrigens: In Mathe gab’s heute eine Vier.« Cleverer kleiner Balg! Ebenso greifen pfiffige Verkäufer immer wieder auf die Masche zurück: Eine ausgebuffte Textilfachverkäuferin wird ihre Kundin erst in ein Schnäppchenkleid stecken, in dem die Arglose latent fett aussieht   – nur, um kurz darauf das exklusive Designerstück hervorzuwühlen, das natürlich eine Modelfigur zaubert   – jedoch das Vierfache kostet.
    Diverse Verkaufsprofis raten bei Gehaltsverhandlungen zu einer Variante dieses Tricks, wenn es darum geht, das eigene Gehalt zu erhöhen. »Argumentieren Sie stets über Ihre Leistung!«, heißt es in entsprechenden Ratgebern. Das stimmt auch. Gemeint ist aber, dass Sie Ihrem Chef zunächst verklickern, wie viel mehr Umsatz und Gewinn er durch Ihre bisherigen Leistungen erzielt hat. Denn daraufhin wird Ihr Ansinnen, künftig zehn Prozent mehr zu bekommen, nur noch wie Peanuts aussehen. Was sind schon 500   Euro mehr im Monat, wenn der Boss mit Ihrer Hilfe eine Million Umsatz im Jahr erwirtschaftet?

    Auch zahlreiche

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