Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
aber ließ Ariely seine Testpersonen kurz vor der Auktion die letzten beiden Ziffern ihrer Sozialversicherungsnummer auf einen Zettel schreiben. Anschließend fragte er sie, ob sie bereit wären, den Wein zu diesem Preis zu kaufen (oder falls nicht, zu welchem Alternativ-Preis). Man sollte meinen, dass diese völlig willkürliche Zahl keinerlei Effekt haben würde. Hatte sie aber: Teilnehmer mit einer kleinen Endziffer waren bereit, im Schnitt 8,64 Dollar für den Rebensaft zu bezahlen; wer hingegen zuvor eine große Zahl notiert hatte, gab für den Wein im Schnitt 27,91 Dollar aus. Die beiden Psychologen Clayton Critcher und Thomas Gilovich notierten gar, dass Gäste eines Restaurants mit dem Namen »Studio 97« durchschnittlich acht Dollar mehr ausgaben als Gäste des Restaurants »Studio 17«. Voilà, der Anker-Effekt!
DAS RUSKIN’SCHE GESETZ
»Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften. Es ist unklug, zu viel zu bezahlen, aber es ist noch schlechter, zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld. Das ist alles. Wenn Sie dagegen zu wenig bezahlen, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann.«
John Ruskin, englischer Sozialphilosoph
Psychologisch lässt sich das so erklären: Um den Wert einer Sache bemessen zu können, sucht unser Gehirn nach Vergleichswerten. Findet es keine, reicht ihm zur Not auch eine aus der Luft gegriffene Zahl als Bezugspunkt. Schlaue Verkäufer überlassen dies nicht dem Zufall – sie stoßen uns subtil darauf.
Bevorzugt tun dies zum Beispiel Immobilienmakler. Sie dürfen davon ausgehen, dass das erste Haus oder die erste Wohnung, die Sie gezeigt bekommen, für Sie nie infrage kommt. In der Regel werden beide phantastisch eingerichtet sein, in Traumlage stehen, jedoch viel zu teuer sein. Der Makler weiß das, dennoch ist dieser Besuch keine Zeitverschwendung. Er ankert damit Ihre Preisvorstellungen – und zwar deutlich höher, als es gerechtfertigt wäre. Zeigt er anschließend eine zwar deutlich günstigere, aber letztlich immer noch überteuerte Immobilie, werden das viele Menschen kaum noch bemerken. Wundern Siesich also bitte nicht, wenn Sie in einen Laden gehen und Ihnen der Verkäufer zunächst immer sein Spitzenmodell zeigt, um Sie vermeintlich etwas schwelgen zu lassen. Es ist pure Manipulation!
Statt weiterhin Opfer des Anker-Effekts zu bleiben, können Sie ihn freilich ebenso gut selbst nutzen. Wenn Sie zum Beispiel das nächste Mal mit Ihrem Boss um eine Gehaltserhöhung (oder mit Ihren Kunden um einen Preis) feilschen, dann verankern Sie kurz vorher einen möglichst hohen Betrag – etwa, indem Sie
zufällig
von Ihrem jüngsten Projekt erzählen, bei dem Sie den Gewinn um 20
Prozent
steigern konnten. Wir sind uns ziemlich sicher, dass Ihr Gehaltsplus dadurch üppiger ausfällt als ohne dieses Manöver – es sei denn, Ihr Chef hat dieses Buch ebenfalls gelesen. Das wäre allerdings auch nicht weiter schlimm. In diesem Fall hält er Sie zumindest für ein ganz ausgebufftes Schlitzohr.
»JE GRÖSSER DIE ZAHL, DESTO GRÖSSER IHR EINFLUSS«
Interview mit Dan Ariely
Herr Ariely, sind Sie inzwischen immun gegen den Anker-Effekt?
Nein, leider nicht. Die meisten dieser Effekte beeinflussen jeden von uns. Der einzige Vorteil ist vielleicht, dass Experten früher erkennen, wann ein Effekt auftritt – und rechtzeitig reagieren können.
In welchen Situationen fallen wir dem Anker-Effekt denn besonders gern zum Opfer?
Am größten ist der Effekt, wenn es um Entscheidungen geht, die wir mehrmals im Leben treffen – beispielsweise beim Einkaufen. Dann erinnern wir uns daran, wie wir uns in der Vergangenheit entschieden haben – und lassen uns davon manipulieren.
Reicht zum Ankern wirklich jede x-beliebige Zahl?
Sagen wir so: Jede Zahl kann uns beeinflussen. Je größer die Zahl, desto größer der Einfluss und umgekehrt. Aber es gibt natürlich Grenzen. Die Zahl muss realistisch sein. Ist sie völlig überdimensioniert, manipuliert sie uns nicht mehr. Wenn ich Sie beispielsweise frage, ob Sie für eine Tasse Kaffee eine Billion Dollar bezahlen, dann ist das eine irrelevante, weil vollkommen utopische Zahl, die auf Ihre Zahlungsbereitschaft keine Wirkung haben
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