Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
optische Täuschungen beruhen auf dem Kontrastprinzip, wie Sie zum Beispiel hier links bei der sogenannten Munker-White-Täuschung erkennen können: Vermutlich haben auch Sie den Eindruck, der rechte Balken mit grauen Streifen sei dunkler. Ist er aber nicht! Beide Grauflächen sind völlig identisch. Wenn Sie die Buchseite ein wenig falten und die Balken übereinanderlegen, sehen Sie das. Die starken Kontraste aus schwarzen und weißen Linien dazwischen aber vernebeln unseren Sehsinn. Seien Sie also das nächste Mal auf der Hut, wenn man Ihnen zwei völlig konträre Reize oder Angebote gegenüberstellt. Womöglich handelt es sich dabei um nichts weiter als den Versuch, Ihre Wahrnehmung zu lenken – oder Ihnen ein paar sündhaft teure High Heels unterzujubeln.
DER REAKTANZ-EFFEKT
Je begehrter etwas ist, desto mehr wollen wir es
Es gibt verschiedene Arten, Konsumenten in die Läden zu locken. Besonders subtil ging die Baumarktkette Praktiker bei einer ihrer populärsten Aktionen vor. Sie kombinierte Sonderangebote (»20 Prozent auf alles«) am liebsten mit Hinweisen auf üblicherweise baumarktfremde Produkte (»außer Tiernahrung«). Das hat rein gar nichts damit zu tun, dass Tiernahrung wirklich teurer wäre. Erst im Kontrast entfaltet der Slogan seine virale Wirkung. 20 Prozent auf alles wäre ja auch ziemlicher Quatsch, dann kann man die Preise gleich senken.
So viel Kreativität ist zwar löblich, aber unnötig. Denn um uns zum Kauf von Produkten zu verleiten, reicht es im Grunde schon aus, uns deren Knappheit vor Augen zu führen. Man kennt das: Da geht man in die Stadt zum Shoppen, und weil man klug war, hat man sich vorher eine Liste gemacht. Diesmal bloß nichts Unnötiges kaufen! Nicht schon wieder auf die vermeintlichen Schnäppchen hereinfallen! Nur die Liste abarbeiten und dann wieder heim … Denkste! Denn dann entdecken wir eine Hose, eine Bluse, ein Paar Schuhe, die uns auf Anhieb gefallen. Doch –leider, leider – es ist nur noch dieses eine Paar in unserer Größe da, was der clevere Verkäufer natürlich ganz elegant nebenbei erwähnt. Und, zack, auf einmal meldet sich diese eine Stimme im Kopf: »Wenn du sie jetzt nicht mitnimmst, sind sie morgen bestimmt weg – und du wirst dich noch Wochen darüber ärgern und ihnen hinterhertrauern.« Klar, was jetzt passiert: Die wenigsten können diesem kleinen gemeinen Gnom im Ohr widerstehen und zücken ihr Portemonnaie.
Ob Sie es glauben oder nicht: Schon Kinder verhalten sich so. Die beiden U S-Psychologinnen Sharon Brehm and Marsha Weintraub zum Beispiel ließen 1977 für ein Experiment zweijährige Kinder auf zwei Spielzeuge los, die von einer Plexiglaswand abgeschirmt waren. Im einen Fall war die Wand niedrig genug, dass die Kinder das Spielzeug gerade noch mit den Händen erreichen konnten. Im anderen Fall mussten die Kinder mit Mühe drum herum laufen, um an das Spielzeug zu gelangen. Was glauben Sie, passierte? Das zunächst unerreichbare Spielzeug hinter der hohen Scheibe war viel attraktiver. Jedes Mal liefen die Versuchskinder lieber um die Wand herum, nur um sofort dieses Spielzeug an sich zu reißen. Als Brehm und Weintraub die Wand in einem zweiten Versuch wieder absenkten, wurde das Spielzeug sogleich uninteressanter.
Ärgerlicherweise legen wir dieses Verhalten ein Leben lang nicht mehr ab – es wird eher noch schlimmer. Warum wohl finden Kinder Cola, Chips und Süßigkeiten so verlockend? Warum bleiben Teenager abends länger weg, als sie dürfen? Warum versuchen so viele Kollegen im Meeting Redezeit zu ergattern, auch wenn sie nur wiederholen, was schon fünf Mal gesagt wurde? Weil sie nicht beliebig darüber verfügen können!
Raritäten ziehen uns magisch an. Psychologen sprechen hierbei vom Reaktanz-Effekt. Entdeckt hat das Phänomen der Verhaltensforscher Jack Brehm bereits 1966. In seinem Experiment ließ er von zwei Probandengruppen vier Musikalben bewerten. Als Belohnung versprach er der einen Gruppe eine dieser Schallplatten zur freien Wahl. Den anderen bot er lediglich an, ihneneine der Platten zu schenken. Am letzten Versuchstag bekamen beide Teams jedoch mitgeteilt, dass zwei der vier Alben bereits vergeben seien. Prompt ging ein Raunen durch die Gruppe jener Teilnehmer, die ihren Preis hätte selbst aussuchen können. Auf einmal waren es genau die vergriffenen Scheiben, die sie am liebsten gehabt hätten. Übrigens ist das ein klassischer Fall von kognitiver Dissonanz – von virtuellen
Weitere Kostenlose Bücher