Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen

Titel: Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
hochbegabtes Kind gezeugt zu haben, das sie schon mit vier Wochen zum Baby-Yoga, mit vier Jahren zum Early English und nur wenig später schon auf die selbstverständlich beste Privatschule im Umkreis schicken.
    Die vermeintliche Topschule muss allerdings keineswegs top für das Kind sein. Pädagogen kennen das Phänomen auch als Fischteich-Effekt oder Big-Fish-Little-Pond-Effekt. Stellen Sie sich dazu einen kleinen Teich vor: Ein großer Fisch wird darin mehr auffallen als in einem Ozean. Und umgeben von vielen kleinen Fischen wirkt der große Fisch im kleinen Tümpel natürlich besonders imposant. Wer sein Kind also in eine Klasse mit lauter Hochbegabten steckt, tut dem Spross höchstwahrscheinlich gar keinen Gefallen, sondern setzt ihn stattdessen enormem Leistungsdruck aus. »Psychologisch gesehen, sind Hochbegabtenklassen eine große Belastung«,sagte etwa der Berliner Psychologie-Professor Ralf Schwarzer in einem ›Zeit‹-Artikel. Die Schüler könnten sich dann nicht mehr »sonnen im Licht der Leistungsverteilung«. Umgekehrt entwickelten Kinder in einer Klasse mit leistungsschwächeren Mitschülern eine höhere Lernmotivation, denn ihre Talente fielen dort umso mehr auf, würden besser bewertet, was sie nur noch mehr ansporne. Es gibt Bildungsexperten, die Elterndeshalb vom Prinzip »Gymnasium um jeden Preis« dringend abraten   – insbesondere bei Schülern, deren Selbstbewusstsein nicht allzu stark ausgeprägt ist
    Das sogenannte Minimum Gesetz, von Carl Sprengel schon 1828 formuliert, besagt, dass das Wachstum von Pflanzen durch die knappste Ressource (zum Beispiel Wasser) eingeschränkt wird. Das Wachstum verbessert sich auch dann nicht, wenn man eine Ressource (Dünger) hinzugibt, die bereits im benötigten Umfang vorhanden ist. Der Effekt lässt sich aber auch auf das Lernen übertragen: Fehlt es etwa an interessantem Stoff, nutzt auch mehr externe Motivation nichts.
    Dem entgegen wirkt allerdings der sogenannte Assimilations-Effekt, auch Reflected-Glory-Effekt genannt. Demnach kann ein besonders leistungsstarkes Umfeld Schüler ebenso motivieren, mehr aus sich und ihren Talenten herauszuholen   – und sei es nur der Ansporn, eine Schule oder Hochschule besuchen zu können, die im Ruf steht, besonders kluge Köpfe hervorzubringen. Welche (negative) Wucht dieser Effekt entfalten kann, lässt sich heute beispielsweise an den Hauptschulen beobachten: Egal, wie sehr die Schüler dort gefordert und gefördert werden   – am Ende wissen sie doch, dass sie eine stigmatisierte Schulform besuchen, der anhaftet, spätere Arbeitsmarktversager auszubilden. Dies vor Augen, geben sich nicht wenige gleich mit dem ersten Schuljahr dort auf.
    Auch wenn einige Studien dem Assimilations-Effekt eine geringere Wirkung zuschreiben als dem Fischteich-Effekt: Häufig werden überdurchschnittlich gute Schüler in einem deutlich schwächeren Umfeld gehänselt, worunter ihre Leistung leiden kann. Als die ›Zeit‹ den bereits zitierten Artikel auf ihrer Internetseite veröffentlichte, schrieb die 1 4-jährige Gymnasiastin Aurelie:
     
    »Als ich von der Grundschule auf das Gymnasium kam, fing es an. Wenn ich gute Noten schrieb, bekam ich ›Streber!‹ oder Ähnliches zu hören. In der 6.   Klasse wurde ich in ein Förderprogramm für Hochbegabte aufgenommen. Als ich den Bescheid bekam, fing ich an zu weinen. Ich versuchte es zu vertuschen und fing an, meine Lehrer zu beleidigen, um das Image des Strebers loszuwerden. Ich machte im Unterricht weniger mit und störte und provozierte, wo ich nur konnte. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass eine Schule, in der Ihr Kind nur Mittelmaß ist, besser für es ist.«
     
    Mag sein, dass die Kombination großer Fisch   – kleiner Teich in wissenschaftlichen Stichproben zu mehr schulischem Ansporn führte, die damit womöglich verbundenen seelischen Qualen dokumentieren sie nicht. Uns erscheint es daher sinnvoller, bei der Schulwahl weniger auf die Mitschüler oder die Schulform und umso mehr auf die pädagogische Qualität zu achten.

D ER LERN-EFFEKT
    Warum es sich kurzfristig besser paukt
    Als wir beide noch in Köln studierten, hieß es unter unseren Kommilitonen immer: Lern bloß nicht auf den letzten Drücker! Das bringt nichts! Einen Tag vor der Prüfung kannst du allenfalls Gelerntes auffrischen! Die Professoren waren ohnehin dafür, den Stoff das ganze Semester hindurch zu büffeln.
    Aber mal ehrlich: Welcher Student hat schon die Zeit dafür? Jeden Tag

Weitere Kostenlose Bücher