Ich denke, also spinn ich - warum wir uns oft anders verhalten, als wir wollen
Handschuhfach von selbst neu ordnen, und ihre Sonnenbrillen sind so schwarz, dass die Nacht daneben zum Blendwerk mutiert. Kurzum: Diese Typen strotzen nur so von Chuzpe, Energie und Tatendrang. Eine solche Attitüde ist durchaus bewundernswert. Doch lassen sich davon auch viele allzu leicht einschüchtern. Selbst jene, die es besser wissen sollten.
Jennifer Brown ist Professorin an der renommierten Kellogg School of Management in Chicago und hat 2008 für ein Arbeitspapier die Statistiken sämtlicher Golfturniere der elitären U S-Profiliga PGA von 1999 bis 2006 ausgewertet, an denen auch der Superstar Tiger Woods teilnahm. Ihre Ergebnisse sind mehr als erstaunlich: Allein die Anwesenheit des Ausnahmetalents schien seine Konkurrenten zu beeinflussen – und zwar negativ. Wenn sie gegen ihn antreten mussten, litt ihre Leistung. Und zwar erheblich: Im Schnitt brauchte jeder der anderen Weltklassespieler 0,8 Schläge mehr als sonst.
Ist das nicht seltsam? Wir reden hier ja nicht von Hobbyathleten, sondern von austrainierten Spitzensportlern mit jahrelanger Erfahrung. Man würde erwarten, dass sie die Anwesenheit des größten Golfstars besonders anspornen würde,schließlich ist es
die
Chance, der Welt zu zeigen, dass so ein Tiger Woods eben doch nicht unschlagbar ist. Doch genau das Gegenteil trat ein: Woods’ Präsenz schüchterte seine Mitspieler ein und ließ sie körperlich und mental verkrampfen.
Jennifer Brown nennt das den Superstar-Effekt. Allerdings führt sie das Phänomen vor allem auf die Systematik des Preisgeldes zurück: Während die besten 15 Spieler etwa 70 Prozent der Ausschüttung bekommen – fast 20 Prozent nimmt allein der Sieger mit nach Hause –, erhält der 70. im Turnier nur noch rund 0,2 Prozent. Brown resümierte daher, der Anreiz, sich anzustrengen, sei nicht groß genug, wenn ein Superstar mit von der Partie ist. Für den lohnt sich der Effekt dafür umso mehr. So hat Brown errechnet, dass Woods etwa 4,9 Millionen U S-Dollar Preisgeld mehr verdiente – nur, weil seine Gegner schlechter als sonst abschnitten.
Natürlich haben nur wenige von uns eine derartige Superstar-Aura. Kaum jemand kann so gut Tennis spielen wie Roger Federer, niemand ist ein so herausragender Basketballer wie Michael Jordan oder so ein phänomenaler Boxer wie Muhammad Ali. Dennoch lässt sich der Superstar-Effekt auch unter Normalos beobachten – beispielsweise an Schülern: 2009 werteten der U S-Professor Stephen Garcia von der Universität von Michigan und Avishalom Tor von der israelischen Universität Haifa die Ergebnisse amerikanischer Schüler im »Scholastic Aptitude Test«, kurz SAT, aus. Der hat in den USA eine enorme Bedeutung, weil die dort erreichte Punktzahl in die Bewerbung für einen Studienplatz eingeht. Die Wissenschaftler fanden heraus: Je mehr Schüler während des Tests gemeinsam in einem Raum saßen, desto schlechter waren die Ergebnisse. Auch hier senkte die bloße Anwesenheit von Konkurrenten und potenziellen Überfliegern die Leistungsfähigkeit der anderen.
Was das für den Alltag bedeutet? Viel! Für das Management: Prämien, Boni und andere Incentives mögen manche Mitarbeiter ungeheuer anspornen. Doch was, wenn aus all den hochmotivierten Leistungsträgern ein oder gleich ein paar Superstarserwachsen? Dann nutzt der ganze Mammon nichts mehr und die Dynamik verkehrt sich ins Gegenteil: Warum sich anstrengen, wenn doch immer nur dieselben absahnen? Wer von Vorneherein ohnehin damit rechnet, nicht zu gewinnen, bemüht sich automatisch weniger. Das ist ökonomisch, nur nicht erwünscht. Die Folgerung daraus darf freilich trotzdem keine Gleichmacherei sein. Wer potenzielle Superstars schon rasiert, sobald sie über die Grasnarbe herausragen, schafft auch keine Leistungsanreize. Vielmehr gibt es nur zwei Lösungen:
1. Gegen einen Überflieger anzutreten, muss eine Art Ehre sein – und selbst das wiederholte Scheitern muss ohne Gesichtsverlust bleiben.
2. Die Bezahlung muss fair bleiben. Im Sport lässt sich eine The-winner-takes-it-all-Mentalität vielleicht noch rechtfertigen. Im Unternehmen aber ist sie pures Gift für die Motivation der Mitarbeiter und den Betriebsfrieden.
Und für den Einzelnen? Gibt es zwei Empfehlungen. Die erste lautet ganz klar: Werden Sie selbst zum Superstar! Zumindest in einer Disziplin – und wenn es nur eine Nische ist. In so ziemlich allen Lebensbereichen – ob nun im Sport, in der Kunst, in der Musik
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