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Ich. Die Autobiographie

Ich. Die Autobiographie

Titel: Ich. Die Autobiographie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Berger , Holde Heuer
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an diesem Abend nicht zu uns, er nahm niemals an den gemeinsamen Abendessen im »Goldenen Hirschen« teil. Die beiden ignorierten sich von ganzem Herzen. Über die Projekte des anderen wurde möglichst kein Wort verloren. Ich versuchte mit Eliette, eine Versöhnung herbeizuführen. Wir grübelten, wie man den Krieg zwischen den beiden beenden könnte.
    Wir wünschten uns schließlich, dass Karajan eine Oper auswählte, die er dirigieren und Luchino inszenieren würde. Wir waren von diesem Gedanken begeistert und organisierten ein Mittagessen im Haus der Karajans. Ich erzählte Luchino von der Einladung. Seine erste Frage war, ob Herbert von Karajan auch dabeisein würde. Ich antwortete, dass ich davon nichts wüsste. Ich wüsste nur von Simone, man würde wohl französisch sprechen. Luchino antwortete: sehr gerne!
    Also fuhren wir mittags raus, und Herbert von Karajan war dabei, obwohl er normalerweise mittags gern probte. Der Karajan-Besitz war ein wunderschönes Haus im salzburgischen Stil. Draußen vor der Tür etliche Sportwagen von Eliette und ihrem Mann, fast wie ein Wagenpark. Drinnen bemalte Bauernmöbel, getrocknete Blumensträuße und ein Interieur von besonderem Zauber. Der entstand durch die Mischung von österreichischem und französischem Geschmack. Herbert von Karajan war ja gebürtiger Salzburger und ElietteFranzösin. Die beiden Töchter, die noch ziemlich klein waren, sahen wir auch kurz. Ich glaube, sie spielten später mit ihren Nannies im eingebauten Swimmingpool.
    Mei, i sag Ihnen, das war eine Atmosphäre beim Mittagessen! Nach dem Aperitif – Luchino trank einen kleinen Campari, Eliette und ich nahmen Weißwein, Karajan nippte bloß an irgendetwas – setzten wir uns in den Esssalon, um rustikale Spezialitäten der Wiener Küche zu genießen. Die Luft war mehr zum Schneiden als das Wiener Schnitzel, zu dem es Spinatmus gab. Wir quatschten über dieses und jenes, sehr höflich, sehr freundlich, aber alles blieb belanglos und oberflächlich. Die beiden Maestros umkreisten sich wie Tiger. Beide mieden geflissentlich das Thema Musik und jede Bemerkung über ihre Arbeit.
    Unsere Versöhnungsarie schien nicht zu klappen. Wie sehr wünschten Eliette und ich eine Verständigung der beiden Giganten. Oder wenigstens ein näheres Kennenlernen bei diesem Treffen, das wir gerne als Arbeitsessen von zwei Superstars erlebt hätten. Zweieinhalb Stunden lang redeten sie nur über Salzburg, die Sehenswürdigkeiten oder – es ist nicht zu glauben – über die Trachtenmode. Bla, bla, bla. Weder »Boris Godunow« noch andere Opern wurden auch nur mit einem Wort erwähnt. Obwohl diese Inszenierung das Thema der Festspiele überhaupt und an allen anderen Tischen der Stadt der Gesprächsstoff war. Auch Luchinos Reaktion mit seinem vorzeitigen Weggang war ja überall zu lesen gewesen. Aber keine Silbe hier draußen in Anif.
    Keiner von beiden machte den Anfang. Zwei Meister in der Kunst, nicht zu sagen, was sie dachten. Das mag ja bei Diplomaten professionell wirken, aber bei großen Künstlern ist es das Unnatürlichste der Welt. Am schlimmsten war die außerordentlich liebenswürdige Höflichkeit ihrer Konversation miteinander. Dazwischen beobachteten sie sich heimlich. Die Stimmung gefror immer mehr. Bei lächelnden Mienen. Furchtbar.
    Eliette und ich blickten uns verzweifelt an. Jeder hoffte, dass der andere einlenkend eingreifen könnte. Aber ich fand mich zu jung, um einen Vorschlag über eine mögliche Regie von Luchino machen zu dürfen, und Eliette traute sich einfach nicht. Ihr fehlte bei diesen beiden Großkopferten der Mut. So ging das Mittagessen nach dem Espresso als Riesenenttäuschung zu Ende. Karajan musste dringend in die Oper, Luchino musste dringend ins Hotel, weil er wichtige Telefonate erwartete. Luchino und Karajan verabschiedeten sich mit denselben Worten, mit denen sie sich begrüßt hatten: »Piagere, Maestro«, es ist mir ein Vergnügen, großer Meister. Sie waren weiter voneinander entfernt als vor diesem Mittagessen. Schade, schade vor allem für die Kunst.
    Luchino verlor bei mir kein Wort darüber. Er war ein Gentleman, er lebte comme il faut aus dem Bauch heraus. Seine Freundschaften in der Musikwelt pflegte er mit Giancarlo Menotti und Leonard Bernstein. Herbert von Karajan sollte in seinem ganzen Leben nicht dazugehören. Zuviel störte ihn wohl an dem Maestro. Die Operninterpretationen. Der Starkult, den Karajan um sich inszenierte. Dessen Hüpferei, bei denen er seine lange

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