Ich. Die Autobiographie
Vittorio de Sica »Der Garten der Finzi Contini«. Luchino lud seinen Freund und dessen Frau zu einem Abendessen ein. Vittorio hatte ihn gebeten, uns miteinander bekannt zu machen. Sofort, schon nach wenigen Momenten während des Aperitifs, war er begeistert von mir. Ich sei perfekt. Er schickte mir das Buch, danach musste ich Probeaufnahmen machen lassen.
Meine Schwester in dem Film war noch nicht ausgesucht. Es musste herausgefunden werden, welche der denkbaren Schauspielerinnen am besten zu mir passte. Diesen Test Anfang 1970 werde ich niemals vergessen, so grauenvoll war er.
Dominique Sanda und ich mussten eine Kussszene im Stehen spielen. Ich habe so gezittert, meine Arme bibberten richtig vor Lampenfieber, als ich sie zu küssen versuchte. Als das nicht richtig funktionierte, gab sie mir einen Kuss, und … ich wurde ohnmächtig. Bin einfach umgefallen. So aufgeregt war ich wie bei allen wichtigen Rollen. Und diese wollte ich unbedingt haben. Dominique lacht heute noch schallend über mein Missgeschick.
Aber was sollte ich machen? Mir war ganz schlecht. Die Nacht vorher konnte ich nicht schlafen. Hatte mich tagelang vorbereitet, wegen der Rolle noch ein paar Pfund abgenommen, die Haare blondieren lassen, weiße Anzüge für die Szene probiert. Weiß in Weiß. Es war doch meine zweite wichtige Rolle. Der Film erhielt immerhin den Oscar als bester ausländischer Film des Jahres.
Das ewige Thema meines Lebens hatte meine Sinne schwinden lassen: die Angst, nicht geliebt zu werden. Auch der Erfolg gibt mir Liebe. Capito? Vittorio de Sica war zauberhaft. Er hatte viel Verständnis für meine Nervosität. Ich war erschrockener als er. Immerhin hatte ich ganz Amerika durchgemacht, ohne ohnmächtig zu werden, und gedacht, dass mir im Leben nicht mehr viel passieren könnte. Sie gaben mir ein Glas Wasser und beruhigten mich. Jetzt durfte ich die Szene in einem Sessel sitzend drehen. Vittorio sagte, dass ich mich nicht aufregen sollte. Das Ganze sei ja kein Test für mich, sondern für die Schauspielerinnen, um zu sehen, welche mir am nächsten kam.
Der berühmte liegende Akt mit der »kopflosen« Ylia Suchanek, aufgenommen während der PR-Tour für »Die Verdammten« in Chicago 1970. Das Foto stammt von Skrebneski.
Tennessee Williams flirtete mit mir, Karajan war unhöflich
Bevor der eigentliche Dreh begann, flogen Luchino und ich zu den Filmfestspielen nach Cannes. Wir wohnten im »Eden Roc«. Dabei waren auch Tennessee Williams, Warren Beatty, Alana und George Hamilton und Michael Douglas, von dem noch kein Mensch ahnte, dass er mal ein Star werden würde.
Mit Tennessee Williams arbeitete Luchino schon lange zusammen. Kurz nach dem Krieg brachte er einige Theaterstücke von ihm auf die Bühne, wie »Endstation Sehnsucht« mit Marcello Mastroianni. Ich beobachtete die beiden sehr gerne. Dabei wunderte ich mich oft, dass ihre Nasen im Profil gleich groß waren, obwohl die beiden Männer alles andere als gleich hochgewachsen waren. Wenn sie ihre Köpfe zusammensteckten, sah es aus wie ein Hahnenkampf. Tennessee Williams flirtete mit mir, wollte unbedingt einen Drink mit mir nehmen. Allein, versteht sich. Als er nicht lockerließ, sagte ich ihm, dass »ich schon einen Hahn habe, frag Luchino«. Der war damals in Cannes übrigens Jurymitglied und tagelang beschäftigt, ich traf Freunde oder spielte Tennis.
Die folgenden Dreharbeiten unter de Sica selbst waren höchst angenehm. Charmant. Ruhig. Leicht. Ganz ohne Stress. Ein Riesenunterschied zu »Die Verdammten«, obwohl ich dort unter Luchinos unerbittlicher Peitsche meine Höchstleistungen vollbrachte. De Sica drehte, wenn immer möglich, an Schauplätzen, in deren Nähe ein Spielcasino war. Das brauchte er nun mal für seine große Passion. Seinem französischen Kollegen Claude Chabrol, bei dem ich 1980 »Fantomas« spielte, waren die Drehorte umso lieber, je näher sie an einem Drei-Sterne-Restaurant lagen. Musste er auf solche exquisiten Tafelfreuden verzichten, engagierte der große Gourmet für die Dauer der Dreharbeiten den bestmöglichen Koch. Ich wusste das sehr zu schätzen.
Luchino bezog mich in seine Interessen mit ein. In seinen von Literatur und Musik, Theater und Malerei, Geschichte und Philosophie geprägten Film-Gesamtkunstwerken ist all sein Wissen und Fühlen herrlich präsent. Er verfilmte Erzählungen von Dostojewski und Verga, von Camus bis Thomas Mann. Dabei zeigte sich seine Lust, vom Leben ausschließlich das Angenehme
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