Ich. Die Autobiographie
und Schöne zu nehmen, das andere verdrängte er, ohne es zu ignorieren. Wie bei unseren Streitereien. Wir sprachen niemals über die Auslöser, er konzentrierte sich auf seine Projekte, bis ich mich in der Pension Riviera wieder beruhigt hatte und zurück wollte. Luchino ließ meine Hysterie und Eskapaden durchgehen, bis sie vorbei waren.
Wir besuchten fast jeden Sommer die Salzburger Festspiele, residierten im Jet-set-Treff »Goldener Hirsch« oder im idyllischen »Schloss Mönchstein« oberhalb der Stadt, wie immer getrennt in verschiedenen Suiten. Hier schlief Luchino gern etwas länger. Für ihn bedeuteten die Festspiele auch Ferien. Wir frühstückten um elf Uhr, fuhren später auf den Gaisberg hinauf und genossen den Panoramablick über die Stadt, gingen am Mondsee spazieren oder machten beim Sightseeing bei den Heilbrunner Wasserspielen halt. Am Mondsee aßen Luchino und ich mit Vorliebe in der »Castello-Bar«, damals ein »In«-Lokal, bei Gräfin Almeda. Sie war für Karajan, Luchino und mich und die ganze Festspielclique wie eine Mutter. Alles war frisch und persönlich zubereitet. Sie war der eigentliche Star der Festspiele. In der Stadt kauften wir Salzburger Trachten oder gingen auf einen Espresso oder Braunen ins »Tomaselli«.
Gelegentlich besuchten wir meine Eltern, die mittlerweile ein 120-Betten-Hotel namens »Sonnenhof« am Mondsee gepachtet hatten. Luchino und meine Mutter verstanden sich sehr gut. Ich übersetzte natürlich immer zwischen den beiden.
Später renovierte ich meinen Eltern das Haus in Salzburg, richtete die Salons, Schlafzimmer und die Mansarde sehr elegant mit italienischen Stoffen und Jugendstilmöbeln ein. Luchino beriet mich dabei. Es wurde ein Schmuckstück der besonderen Art. Von außen ein normales Haus inmitten eines Parks mit Bäumen und Blumen, die meine Eltern gepflanzt hatten. Als meinen Eltern dieses Anwesen zu groß wurde, verkauften sie es, und ich schenkte ihnen eine hübsche Wohnung im Zentrum Salzburgs, in der meine Mutter heute lebt.
Abends besuchten wir natürlich die wichtigsten Operninszenierungen der Salzburger Festspiele. Der frühe Beginn um acht Uhr war für uns Italiener ungewohnt, die festliche Garderobe nicht. Drei Stunden lang genossen wir im Smoking viele künstlerische Highlights. Oft begleitete uns Romy Schneider. Immer sehr schick eingekleidet von Madame Grès aus Paris. Den »Jedermann« ließen wir selbstverständlich nicht aus. Wir erlebten Senta Berger als Buhlschaft, später drehte ich mit ihr »Der Reigen«. Sie ist eine hervorragende Schauspielerin und sehr charmant und fesch und sexy. Eine Wienerin natürlich.
Nach den Vorstellungen gingen wir regelmäßig zum Abendessen in den »Goldenen Hirschen«. An unserem Stammplatz in einer Ecke saßen wir dann mit der französischen, italienischen und deutschen Prominenz zusammen. Die ganze Aristokratie war dabei, es kamen Künstler und andere Leute mit genialen Begabungen. Musikliebhaber eben. Romy Schneider, ihre Mutter Magda, Curd Jürgens mit seiner Frau Simone, Eliette von Karajan, Hélène Rochas, die Familie Rothschild und Anhang wie Yves Saint Laurent, Givenchy, französische Politiker. Oft war auch meine Mutter dabei.
Man aß den berühmten Tafelspitz und danach Schokoladenkuchen in Form der Sachertorte. Es war ein wildes Sprachengemisch. Luchino und ich sprachen italienisch. Romy, Magda, meine Mutter und ich wienerisch. Die Simone mit Eliette französisch. Die beiden waren enge Freundinnen. Eliette wohnte mit ihrem Mann in einem Haus in Anif, einem Vorort Salzburgs. Simone mit ihrem Curd ganz in der Nähe. Jeden Abend bildeten wir unsereJet-set-Clique.
Luchino war kein Fan von Karajan, er empfand dessen Dirigierkunst als viel zu schnell. Er lehnte auch Karajans Regie vollkommen ab. Er war der Meinung, beides gleichzeitig ginge nicht. Das wäre schlicht zuviel, die Sänger und Komparsen anzuleiten und auch noch zu dirigieren. Entweder das eine oder das andere. Wenn Luchino eine Aufführung nicht gefiel, ging er demonstrativ raus. Aber nicht ohne Romy und mich an der Hand mitzunehmen. Das war sehr auffällig, denn wir saßen in den besten Reihen, von acht bis 20. Unser Weggang wirkte wie eine Demonstration. Alles schaute. Doch das störte Luchino wenig. So auch bei der Oper »Boris Godunow«, die Karajan erarbeitet hatte.
Während des folgenden Essens im »Goldenen Hirschen« ließ Luchino dann kein gutes Haar an der Inszenierung. Er begründete seine Kritik genau. Karajan kam auch
Weitere Kostenlose Bücher