Ich. Die Autobiographie
sah einen der Nägel, die ich eigens aus Holz anfertigen ließ, damit sich niemand an ihnen verletzen konnte. Um das zu prüfen, fuhr ich stundenlang mit der Hand über den Badesteg. Oh, là, là, ich konnte zickig sein. Die Details sind meine Sache schon. Aber was soll ein Badesteg direkt in den See ohne Boot und Hütte. Also wurde eine Bootshütte gebaut. Aber das Boot vergaß ich bei meinem Einrichtungstrubel. Übrigens: Vor Wasser fürchte ich mich. In diesem tiefen Vulkansee bin ich niemals geschwommen. Ich habe mich nicht getraut. Vielleicht hätte mich der Vulkan runtergesaugt, und ich wäre im Mondsee wieder rausgekommen. Nein danke. Nicht mit mir.
Als alles fertig war, empfand ich dieses Haus als einen wahrgewordenen Traum. Es war alles da, und es wurde nichts genutzt. Trotzdem liebte ich das Haus wirklich sehr.
Fürstin Garcia Patricia von Monaco empfängt Helmut Berger.
Mit Sydne Rome in »Il Bagio de la Scorpione«unter der Regie von Duccio Tessari in Santo Domingo.
In Arthur Schnitzlers »Reigen«unter der Regie von Otto Schenk mit Senta Berger 1973 in Wien.
Der Hahn krähte »Hämorrhoidiiie«, die Schnitzel waren gebratene Servietten
Ein Jahr später, 1972, konnte ich Luchino endlich von einer Zweitwohnung für mich überzeugen. Mein Argument waren die einsamen Tage und Nächte ohne ihn in der römischen Riesenvilla. Oft reiste er nach Mailand ohne mich. Oder in andere Opernmetropolen der Welt zu neuen Inszenierungen. Während der Proben war ich nicht dabei, besuchte ihn nur zu den Premieren. Ob man mir glaubt oder nicht, ich fühlte mich trotz des Personals in der Via Salaria furchtbar allein ohne ihn. Ein weiteres Argument war mein Bedürfnis nach Selbständigkeit. Flügge geworden, wollte das Kind ein wenig Eigenverantwortung haben. Sich nicht jede Nacht in Bettwäsche mit LV-Initialen legen, ich wollte HB-Stickereien in meinem feinen Leinen sehen. Wollte meinen eigenen Teppich, mein eigenes Geschirr, meine Musik. Ich wollte mein eigenes Nest. Basta.
In der Nähe der spanischen Treppe mietete ich in der Via Frattina meine Zweitwohnung. Eigentlich zwei großzügige Appartements, die ich zu einem gestalten ließ. Zwei Schlafzimmer, zwei Bäder, eine Küche, eine Spielecke – denn Kartenspielen ist eine meiner großen Leidenschaften Bibliothek, Speisezimmer und einem langen Salon. Rundherum Terrassen.
Die Einrichtung war das Gegenteil von der Via Salaria 366. Kein Jugendstil, sondern Patchwork, damals hochmodern. Die Wohnung war mit Air Condition ausgestattet. An die Fenster ließ ich Vitrinen aus Kristall anbringen. Die stellte ich voller Keramiken von Picasso. Dabei auch seine »Vier Musketiere«. An die Wände hängte ich italienische Surrealisten. Sofas aus Wildleder, großer Kamin. Diese erste Wohnung von mir zeigte meine typische Reaktion auf den Geschmack von Luchino. Wie ein ungezogenes Kind fand ich alles toll, was Luchino Scheiße fand. »Wie kannst du dieses Bild? Was soll das?« sagte er. »Jetzt erst recht«, dachte ich. Er: »Oh, der Schreibtisch ist ja modern.«– »Aber bequem!« war meine Antwort. Luchino schickte mir einen antiken Schreibtisch rauf. Ein wunderschönes Stück, das ich gleich verkauft habe. Von einer Michelangelo-Statue in Florenz, die David d’Onatello darstellte, hatte ich den Kopf riesig vergrößern lassen, Luchino wollte mir stattdessen eine vergoldete Lampe hinstellen.
Ich lebte gegen den Strich, wollte mich von seinem Einfluss lösen. Deshalb begann ich, auch mit jungen Regisseuren zu drehen, wie mit Tinto Brass den »Salon Kitty«. Luchino fand das schlicht wahnsinnig. Ich sagte, das Drehbuch sei gut. Gefährlich. »Verlasse dich doch endlich auf mich, ich bin doch nicht erst gestern geboren. Basta. Ich drehe den Film.« Ich habe mich durchgesetzt. Der Film – mit Ingrid Thulin – wurde ein Welterfolg. Früher hatte er die Drehbücher gelesen, jetzt las ich sie. Die angepassten Zeiten waren vorbei. Ich war ein wenig erwachsener geworden. Ich fing an, nicht mehr mit ihm und seiner Clique ins Theater zu gehen, ich besuchte die futuristischen Stücke in Trastevere im alten Rom. In den Kellertheatern saß man auf Holzstühlen, die Schauspieler spielten ohne Bühne direkt ins Publikum hinein. Oder wir bildeten einen Kreis, und in der Mitte spielten die Akteure. Dabei entsteht eine dolle Nähe. Man spielt quasi mit.
Dieses Interesse am Underground hatte ich in New York bekommen. Dort ging ich nie an den Broadway,
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