Ich. Die Autobiographie
flüsterte er seinem Assistenten Albino Cocco seine Anweisungen zu, die der dann umsetzten musste. Ging dabei etwas schief, schlug Luchino wieder mit seinem antiken Stock in der linken Hand zu. Oh, wir schonten uns auch jetzt nicht.
Wenn Albino mich über Korrekturen im Spiel informierte, ich mich darüber ärgerte, schlug ich mit Worten zurück:
»Stronzo« (blöder Arsch), »Vai agagare« (geh scheißen), »Va fare in culo« (leck mich), »Froscio« (schwule Sau). Das Thema war eben vor und hinter der Kamera »Gewalt und Leidenschaft«. Das war die typische Kinosprache in Rom, der übliche Cinecittà-Slang. An keinem anderen Drehort der Welt werden schmutzige Wörter so liebevoll umeinander geschrien. In Frankreich sagt man den Schmalz »S’il vous plait« und »Mon cherie« oder »Mon frère«, in England »Please, can you …«, in Amerika ist die schlimmste Süßholzraspelei im Spiel: »Do you mind.« Alles ein verlogenes Gequatsche! InItalien ist das ganz anders. Die Wörter sind deftig, aber ehrlich. Damit ist die Wut verraucht, und niemand ist mehr böse.
Meine Mutter wundert sich heute noch immer, wenn sie mich in Rom besucht und meine Perle Maria und ich miteinander reden. Liebevoll, wie ich meine, klar und deutlich. Meine Mutter flüchtet vor uns auf die Terrasse oder ins Schlafzimmer, weil sie Angst hat, dass wir uns gleich die Köpfe einhauen, so sehr hört sich unser Gespräch für sie nach Streit an. Maria spricht laut und schnell, ich rede leise und noch schneller. Was muss meine Mutter alles mit mir erleiden … Dabei hat sie noch Glück, dass sie einen so netten Sohn hat. Wenn ich nicht bisexuell wäre, hätte sie ein anderes Leben. Mit Sicherheit! Mutti wollte unbedingt einen Kronprinzen, deshalb hat sie mich auch in Bad Ischl zur Welt gebracht.
Nach »Gewalt und Leidenschaft« wollte Luchino endlich Marcel Proust realisieren. Weil er sich aber um die Finanzierung sorgte, hatte er vorsorglich schon den Thomas-Mann-Stoff »Der Zauberberg« zu einem Drehbuch verfasst, falls Proust nicht sofort klappen sollte. Doch dann verlangten die Erben von Thomas Mann viel zuviel Geld für die Rechte. Daraufhin machte sich Luchino wieder an den Proust-Stoff. Es war wirklich kompliziert. Luchino wollte Marlon Brando für die Rolle desJean-Luc, als kein Amerikaner mehr Brando wollte, der dann später mit »Der letzte Tango von Paris« sein Comeback hatte. Die Versicherung für das Filmrisiko genehmigte ihn nicht.
Dann wollte Luchino Alain Delon. Das wollte ich nicht. Daraufhin dachte Luchino an Laurence Olivier, aber der erkrankte schwer. Der einzige, mit dem es keine Probleme gab, war Dustin Hoffman, der Proust spielen sollte und auch schon zugesagt hatte. Es war furchtbar. Immer wieder Probleme, Probleme, Probleme. Silvana Mangano steckte in einer tiefen Ehekrise mit ihrem Mann, Dino de Laurentiis, der wegenfinanzieller Schwierigkeiten nach Los Angeles flüchtete. Silvana verkaufte für ihn ihren schönsten Besitz.
Das ganze Hin und Her war schwierig und verletzend für Luchino, denn beide Stoffe zählten seit vielen Jahren zu seinen Lieblingsprojekten. Damit wurde die letzte Arbeit seines Lebens ein Stoff des italienischen Schriftstellers Gabriele d’Annunzio: »Die Unschuld«. Im Drehbuch hatte mir Luchino die Rolle eines heruntergekommenen Adligen auf den Leib geschrieben. So gerne hätte ich mitgespielt, es tat mir schrecklich leid, aber durch die vielen Verzögerungen mit den anderen Projekten hatte ich für 1975 »Die romantische Engländerin« zugesagt.
Als dieser Film abgedreht war, war ich sehr erschöpft. Luchino bat mich inständig auszuruhen. Bei unserem letzten gemeinsamen Abendessen sagte er: »Du bist ziemlich überarbeitet. Siehst wirklich müde aus. Was hältst du davon, deine Freundin Florinda Bolkan in ihrem Haus in Rio de Janeiro zu besuchen.« Er sorgte sich mehr um mich als um sich selbst. Spontan buchte ich den nächsten Flug und kam morgens um sieben Uhr in Rio an. In Florindas Haus zog ich mich schnell um und fuhr mit Freunden gleich an deren Privatstrand.
Mittags wurde ich träge von den vielen Drinks, die mir ständig serviert wurden. Irgendwie kam mir das komisch vor, denn Florinda trinkt tagsüber nicht, ihre Freundin Marina Cicogna auch nicht. Seltsam, seltsam, dachte ich. Warum wollten sie mich schon in der Mittagshitze betrunken machen? Irgendetwas lag in der Luft, das spürte ich genau. Aber auf meine Fragen reagierten sie überhaupt nicht. Alberten über dummes Zeug,
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