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Ich, die Chronik

Ich, die Chronik

Titel: Ich, die Chronik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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nicht? Seid ihr nicht gleichen Geblüts, gleicher Herkunft?« »Das dachte ich auch immer. Aber unsere Wege haben sich vor langer Zeit getrennt. Anum hat sein Hüteramt planmäßig niedergelegt und an den nächsten Kelchmeister weitergegeben - ich hingegen .«
    »Du meinst, das ist der Grund?«
    »Es könnte der Grund sein«, sagte Landru ausweichend. »Als ich unsere Mutter tötete, zerschmetterten mich die Visionen beinahe, die mich beim Trinken ihres Blutes überkamen. Damals erfuhr ich erst, wer ich wirklich bin - was es mit der Dunklen Arche und dem untergegangenen Reich im Zweistromland auf sich hatte ... Möglicherweise hätte ich all dies auch erfahren, wenn sich unsere Mutter nicht von uns abgewendet hätte. Wenn ich mich nach tausend Jahren Hüterschaft - wie Anum - einst wieder in meine Kammer im Dom gelegt hätte! Womöglich erhielt er nach dem Ende seines Amtes einen zweiten Ritterschlag. Etwas, das ihm all das Wissen, all die Macht und Fähigkeiten wiedergab, die wir einst unser eigen nannten!«
    Nona schwieg.
    Und auch Landru löste sich von ihr und ging - wortlos, zutiefst erschüttert, wie es schien - zu der kunstvoll ornamentierten Tür, die aus dem geschwärzten Holz einer Ceiba gefertigt war.
    »Wohin willst du?« holte sie ihn mit ihrer Stimme ein.
    »Sehen wir uns noch einmal, bevor du gehst?« fragte er, ohne zu antworten.
    »Natürlich.«
    »Gut.«
    Damit verließ er den Raum, der sich im selben Bauwerk befand wie der Weltenpfeiler - und das BUCH ...
    * Das Buch. Die Chronik.
    Die »andere Bibel«, die unheilige SCHRIFT einer unheiligen Rasse Landrus Finger strichen über den rauhen, bräunlichen Einband des Folianten, der größer und schwerer war als jedes andere Buch, das er je in Händen gehalten und in dem er geblättert hatte.
    Geblättert...
    Er konnte so viele Seiten wenden, wie er wollte, ihr Inhalt blieb ihm so rätselhaft wie jedem anderen Geschöpf auf diesem Planeten, ausgenommen - Landru zwang sich, nicht unentwegt an die zu denken, die nicht zur Verfügung standen, ihm daraus vorzulesen. Ein Fünkchen Hoffnung glomm immer noch in ihm, daß Lilith nicht in der Flammenhölle des Palastes zugrunde gegangen war, sondern sich noch irgendwo in Mayabs Grenzen aufhielt. Und daß er sie über kurz oder lang finden würde, falls sie sich absichtlich versteckt hielt.
    Doch warum sollte sie das?
    Ich weiß es nicht, antwortete er seinen eigenen Zweifeln. Wenn sie immer noch ihrer Erinnerungen ledig ist, dürfte es dafür keinen Grund geben.
    Er verbannte auch Lilith - wie Anum - endgültig aus seinen vordergründigen Überlegungen. Spukhafte Schatten zuckten über die junge Retina seiner Augen. Über seine Haut. Durchdrangen seine Kleidung wie Röntgenstrahlen, als wäre solcher Schutz hinfällig im Einfluß des Gebildes, das wenige Schritte entfernt rotierte?
    Landru löste kurz den Blick von der EWIGEN CHRONIK und blickte zu dem Pfeiler, der das »Gewölbe« stützte und speiste, das Mayab seit dem frühen 16. Jahrhundert von der übrigen Welt abschottete.
    Kelchmagie, dachte er. Das nicht einmal bis zur Decke des Raumes reichende Gebilde sah aus wie eine abgeschnittene schwarze Säule, die sich in sinnzerrüttender Weise . drehte?
    Irgendeine Art von Bewegung, ein Fluß fand statt. Aber was genau es war, hätte auch Landru trotz seiner immensen Erfahrung im Umgang mit den Kräften des Lilienkelchs nicht zu sagen vermocht.
    Damals, vor fast einem halben Jahrtausend, hatte das Taufgefäß der Vampire diesen Pfeiler in den mathematisch exakten Mittelpunkt der Maya-Stadt »gestellt«: eine Ballung dunkler Energie, die offenbar keiner Kraftzufuhr mehr bedurfte, sondern sich selbst im Gange hielt. Ein perfektes Perpetuum Mobile!
    Und dieses mit dem Verstand kaum faßbare Gebilde projizierte den komplizierten, beinahe intelligenten Wall um Mayab, dessen einzige Aufgabe darin bestand, die von Landru unerlaubt gezeugten Maya-Vampire und ihre seit damals fast unveränderte Kultur von der Realität draußen auszuschließen.
    Dieser Wall war mehr als eine simple undurchlässige Barriere. Denn manches mußte er herein oder hinaus lassen.
    Um den permanenten Luftaustausch kam er beispielsweise nicht herum, sonst wären die Eingekerkerten schon unmittelbar nach Entstehung des Gewölbes erstickt. Auch Regen fiel von Zeit zu Zeit durch das »Dach« der kleinen Welt, das dennoch nichts anderes, auch nicht die des Fliegens mächtigen Vampire passieren ließ.
    Landru wußte, daß das Gewölbe, das der Sonne

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