Ich, die Chronik
Eingeweide!
Sofort schien sich glühende Lava durch seinen Unterleib zu wälzen. Ein paar Herzschläge später erbrach Calot Blut, und die Sinne schwanden ihm. Er starb.
Und begriff zu spät, daß dies nichts änderte - im Gegenteil.
Denn er starb den typischen Tod eines jeden Initiierten .
*
Ein anderes Verhör:
»Wie heißt du?«
»Vador.«
»Ich habe dich einst initiiert. Und es macht mich traurig zu sehen, was aus dir geworden ist. Macht es dich auch traurig?«
»Nein«, antwortete Vador wahrheitsgemäß.
»Ich dachte es mir. - Du bist der einzige Nichtblinde, der das Attentat überlebte. Was hast du mit denen zu schaffen, die sich die Tiefen nennen? Bist du ihr - Führer?«
Vador blickte ins Antlitz der als besonders grausam verschrienen Königin Atitla. Ihre Nähe legte sich wie ein schwerer, dumpfer Druck auf seinen Schädel und seinen Brustkorb. Das Herz hinter seinen Rippen pochte schwammig-überanstrengt, aber davon merkte er kaum etwas.
»Nein«, sagte er und starrte dabei auf die verbrannten Stellen an seinen Beinen, wo glühendes Eisen Muster hinterlassen hatte. Atitla selbst hielt das Werkzeug in den Händen. »Calot ist unser Anführer. Aber wir alle, ganz gleich, ob blind oder sehend, die dem Bund angehören, sind Seelenverwandte.«
Das letzte von ihm gewählte Wort schien das Feuer in Atitlas Augen stärker zu entfachen - es mutete an wie der verzögerte Widerschein der Flammen, die den Palast in eine häßliche Ruine verwandelt hatten und die inzwischen erloschen waren.
»Dem Bund?«
»Dem Bund der Tiefen.«
»Wie viele seid ihr?« Atitlas Stimme gewann nun an Schärfe, obwohl dies so wenig ins Gewicht fiel wie die Folter, die sie Vador angedeihen ließ. Er stand noch immer im Bann von Landrus Suggestivkraft - für das Versagen ihrer eigenen gab es vielerlei Indizien, aber keine Erklärung.
Wie geht das zu? Was macht die Tiefen anders als den Rest unserer Untertanen?
»Ich weiß es nicht.«
»Du weißt nicht, wie viele ihr seid?«
»Nicht genau. Der einzige, der Kontakt zu allen pflegt, ist ... war ...«
»Calot?«
»Ja.«
Atitlas Blick wechselte kurz hinüber zu dem anderen Opferstein, wo Peten den Blinden, über den sie sprachen, gerade ebenso quälte, wie sie selbst es hier bei Vador tat. »Meinst du«, fragte sie den Hypnotisierten, »er wird es uns verraten?«
»Nein. Er wird eher sterben.«
Um Atitlas Mundwinkel erschien ein Lächeln, so bizarr wie ihre Gedanken.
Und wie aufs Stichwort erfüllte Calot schon im nächsten Moment ihrer beider mit Calots Tod verbundenen Erwartungen.
WAS WILLST DU?
Landru krümmte sich unter dem elektrisierenden Strom, der ihn fragend durchfloß.
Er hatte das Gefühl, in einem Nichts zu schweben. Im Vakuum eines sternlosen Raumes. Aber dessen tödliche Kälte und Leere fehlten. Etwas existierte durchaus um ihn herum. Aber nicht einmal seine genügsamen Augen waren in der Lage, auch nur einen schwachen Abglanz von Licht in dieser Finsternis aufzuspüren.
Wie schon beim ersten Mal kam es ihm vor, als wäre er nur gelitten an diesem fremden Ort - viel fremder noch als das übrige Ma-yab -, nicht aber willkommen!
Antworten, dachte er. Ich brauche Antworten.
SCHON WIEDER?
In der Stimme, die sich lautlos wie die Gezeiten eines sonst toten Ozeans in ihm bewegte, meinte er Wesenszüge seiner Mutter wiederzuerkennen. Des einzigen Geschöpfs auf Erden, das er fast noch mehr vermißte als haßte.
Das letzte Mal, erwiderten seine Gedanken, suchte ich keine Antworten, nur einen Ersatz für meine Kräfte, die ich im Kampf gegen Lilith verlor. Ich hatte keine Antworten verlangt!
SO IST ES - UND DAS IST DER UNTERSCHIED.
Heißt das, du ... verweigerst mir deine Hilfe?
WIE KÖNNTE ICH DIR ETWAS VERWEIGERN? ICH EXISTIERE ÜBERHAUPT NICHT. ODER WIE WÜRDEST DU MICH DEFINIEREN .?
Ich weiß es nicht. Aber du bist mehr als nichts. Du hast... Verstand. Die Magie des Kelchs hat hier einst einen »Ableger« von sich gepflanzt, und irgendwie hat dieser Ableger sich weiterentwickelt - unabhängig von dem, was dem Kelch widerfahren ist.
DEINE GEDANKEN KLINGEN, ALS HÄTTEST DU WISSEN
ÜBER DIESE DINGE. ABER DU WEISST NICHTS. GAR NICHTS.
Deshalb kam ich her.
DU MACHST ES DIR LEICHT - ZU LEICHT.
Landru versuchte sich seine Frustration nicht anmerken zu lassen.
Ich habe etwas mitgebracht.
BIST DU SICHER?
Ja!
Die Frage stürzte ihn in insgeheime Zweifel. Er glaubte die CHRONIK noch in seinen Händen zu halten. Sehen konnte er sie nicht mehr. Selbst
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