Ich, die Chronik
Brust gepreßt. »Ich wünschte, du wärst es auch in deinen Taten. Dann müßte ich hier nicht Gericht halten über dich und die, die schweigen. Die sich hinter deinen Reden ebenso verstecken wie du selbst!«
Atitla blickte demütig zu Boden.
Oriente und Peten scharrten unruhig mit den Füßen.
Landru spürte selbst die Unwirklichkeit dieser Konfrontation. Irgendwie kam er sich vor, als wären die drei Vampirinnen und er -vielleicht noch Nona - ganz allein. Ganz unter sich. Die sonstige Bevölkerung Mayabs, sogar die Tiefen, schienen nicht zu existieren.
Erst seine wiedererklingende Stimme brach diesen Zauber.
»Es ist unklug«, sagte er, »aber ich billige euch eine letzte Bewährungsprobe zu. Wagt es nicht, mich noch einmal zu enttäuschen, denn dann . gibt es keine Gnade mehr! Und was das bedeutet, werdet ihr erst ermessen können, wenn meine Strafe über euch kommt .«
Er öffnete die Fäuste und zeigte mit dem Finger auf jedes erleich -terte Gesicht.
»Kümmert euch um die, die sich die Tiefen nennen! Verhört vor allem den Mann, der sich Calot nennt! Er soll euch die Männer und Frauen verraten, die seinem Geheimbund angehören!«
»Die Blinden sind nicht . empfänglich für unsere Hypnose«, warf Atitla zaghaft ein. »Wir haben es versucht, aber -«
»Es gibt andere Methoden! Muß ich euch erst zeigen, wie man Folter zelebriert?«
Atitla wich verneinend zurück.
»Gut. Wir treffen uns also bei der Hinrichtung.« Er wandte sich Nona zu.
»Bei - wessen Hinrichtung?« erreichte ihn Orientes Stimme.
Landrus von roher Haut umspanntes Gesicht wandte sich ihr nicht einmal zu. Unbeirrt ging er zu Nona und sagte: »Alle! Ihr werdet sie alle zu meinen Ehren opfern, sobald sie euch verraten haben, wer ihre Mitwisser und Helfer sind! Dort oben auf dem Großen Tempel werden wir gemeinsam feiern, daß Mayab wieder von gestrenger Hand regiert wird! Fortan werden drei, nicht mehr acht über Demut und Gehorsam wachen ...!«
*
Sämtliche Priester verließen die Kammer. In Windeseile hatten sie auf Landrus Geheiß bunte Webteppiche, weiche Daunenkissen und behagliche Decken in den Raum gebracht, der für ein solches Arrangement nie vorgesehen gewesen war. Blakende Fackeln verbreiteten zudem ein Licht, in dem sich die Unruhe jenseits der Türschwelle zu spiegeln schien.
Unschlüssig blieb Nona vor dem Lager stehen.
»Mir ist kalt«, sagte sie.
Landru trat hinter sie und umschlang sie in vertrauter Umarmung.
Seine Hände schoben sich unter Nonas Kleidung und strichen verlangend über die straffen Brüste. Sein Geschlecht war hart wie Stein und pochte von hinten gegen ihre Pforte.
»Nein«, lehnte sie sich gegen den vorhersehbaren Verlauf ihres Beisammenseins auf.
»Wir haben uns noch nicht angemessen begrüßt«, raunte der Mann in ihr Ohr, dem nicht einmal die Verunstaltung seines Äußeren die Anziehungskraft hatte nehmen können. Zumindest nicht für Augen, die an der häßlichen Verstümmelung einfach vorbei auf das Bild zu blicken vermochten, das sie in einem abnorm langen Leben in sich gespeichert hatten.
»Nein, das haben wir nicht ...« Nona entzog sich der Umarmung. »Und jetzt bin ich nicht in der Stimmung.«
Er ließ sie gewähren.
»Du nimmst mir meine Worte übel«, sagte er. »Das, was ich dir vorwarf, bevor ich mich um die unfähige Brut und die Aufständischen kümmerte .«
»Ich nehme sie dir sehr übel«, korrigierte Nona. »Du hast dich immer auf mich verlassen können. Und wenn du das vergißt .«
»Es waren Sätze im Affekt. Kannst du nicht verstehen, was in mir vorging? So kurze Zeit war ich fort, und schon -«
»- lief alles aus dem Ruder ... ich weiß.« Nona setzte ein kühles Lächeln auf, das Landru für einen schmerzhaften Moment an die Maske erinnern mußte, hinter der er sich in tausend Jahren Hüterdasein vor der Alten Rasse, weniger vor den Menschen, versteckt hatte, um sein Inkognito zu wahren.
Nona versuchte etwas anderes zu verstecken.
Gefühle.
Ihr war elend zumute wie selten.
»Ich bedauere meine Reaktion. Genügt dir das?« Landru streckte die Arme aus, als wollte er seine Aufforderung, das Gesagte zu vergessen, unterstreichen.
Aber Nona schüttelte den Kopf.
»Wir brauchen ein wenig Ruhe voreinander«, sagte sie so leise, als spräche sie nur zu sich selbst. »Ich hätte nicht gedacht, daß ich das so bald sagen müßte, nachdem wir uns so lange Zeit nicht begegnen durften. Aber ich brauche Ruhe. Ich fühle mich schrecklich müde. Die Strapazen der
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