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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Als ich jung war, durfte niemand »Halt's Maul« sagen, doch als der Rooster in die Pubertät kam, konnte man ungestraft »Mach dein verficktes Loch zu« brüllen. Auch die Drogenstatuten hatten sich geändert. »Kiffen verboten« wurde abgeschwächt zu »Kiffen im Haus verboten«, bis es zuletzt beinahe flehentlich hieß: »Wärst du vielleicht so nett, ein paar Joints weniger im Wohnzimmer zu rauchen?«
    Meine Mutter war meistens schwer angetan von meinem Bruder und betrachtete ihn mit dem ungläubigen Staunen einer Henne, die feststellen muss, ein völlig artfremdes Wesen ausgebrütet zu haben. »Wie reizend von Paul, mir diese Vase zu schenken«, sagte sie einmal, als sie einen Strauß Wildblumen in einer schädelförmigen Wasserpfeife arrangierte, die mein Bruder auf dem Esstisch vergessen hatte. »Ein bisschen ungewöhnlich, aber so ist unser Rooster. Ein freier Geist, auf den wir stolz sein dürfen. «
    Wie alle in unserer ländlichen Nachbarschaft wurden wir mit bestimmten Erwartungen großgezogen. Mein Vater träumte davon, dass ich auf eine Ivy-League-Uni ging, wo ich stets Einsen bekommen, Football spielen und in meiner Freizeit in der studentischen Jazz-Combo Gitarre klimpern würde. Mein Unvermögen, einen Ball zu werfen, wurde nur durch mein Unvermögen, Gitarre zu spielen, übertroffen. Meine Noten waren bestenfalls durchschnittlich, und irgendwann lernte ich schließlich, mit der Enttäuschung meines Vaters zu leben. Zum Glück gab es sechs Kinder im Haus, so dass man leicht in der Menge untertauchen konnte. Nachdem es meinen Schwestern und mir gelungen war, unter der Messlatte seiner Erwartungen durchzuschlüpfen, sorgten wir uns um unseren Bruder, der als die letzte Hoffnung der Familie galt.
    Von zehn an aufwärts wurde Paul in Brooks-Brothers-Anzüge gesteckt und musste Ansteckfliegen für Kinder tragen. Er ließ Trompetenunterricht, Fußball-Ferienlager, Basketballturniere der Pfarrgemeinde und Nachmittagsunterricht mit geduldigen Tutoren über sich ergehen, die höflich das Thema wechselten, wenn die Frage auf die Chancen des Roosters kam, in Yale oder Princeton anzukommen. Mit Schnelligkeit und einem guten Körpergefühl ausgestattet, konnte Paul sich für Sport erwärmen, allerdings nicht genug, um die Sache wirklich ernst zu nehmen. Die Schule langweilte ihn ohne Ende, und die Nachbarn machten Luftsprünge, als er schließlich auch das Trompetenspiel drangab. Seine Antwort auf die unerfüllbaren und ewigen Ansprüche unseres Vaters ist im Lauf der Jahre zu einer Art Mantra geworden. Es besteht kurz und schmerzlos aus einem schrill wiederholten »Fick dich!« oder an gesprächigeren Tagen aus: »Fick dich, Arschloch! Das geht mir ja sowas von am Arsch vorbei. «
    Mein Bruder spricht Fremde freundlich mit »Madam« und »Sir« an, wohingegen er Freunde und Familie unterschiedslos als »Arsch« oder »Schwanzlutscher« bezeichnet, den eigenen Vater eingeschlossen. Freunde sind schockiert über die Art, wie er den ihm einzig verbliebenen Elternteil anredet. Anlässlich eines Besuchs der beiden in New York City schmissen meine Schwester Amy und ich eine Dinner-Party. Als mein Vater über schmerzende Füße klagte, setzte der Rooster seine Zwei-Liter-Flasche Mountain Dew ab, spuckte einen Klumpen Rippchen auf den Teller und sagte: »O Scheiße, Mann, du musst dir den beschissenen Scheiß-Fußpilz wegmachen lassen, verstehst du? Heute Abend ist aber wohl nicht mehr viel zu machen, also entspann dich, Mann. «
    Alle Augen starrten meinen Vater an, der leise kichernd erwiderte: »Tja, da hast du wohl recht. «
    Ein Außenstehender könnte die Sprache meines Bruders mit Recht für respektlos halten und in der Antwort meines Vaters eine schmähliche Kapitulation sehen. Das hieße jedoch, die subtile Schönheit ihrer Beziehung gänzlich zu verkennen.
    Mein Vater gehört zu der Sorte Mensch, die einen Limerick etwa so erzählen: »Eine Frau, von Beruf Frisöse, hatte 'ne Bärenfalle in ihrer... na, ihr wisst schon. Dies umgangssprachliche, abschätzige Wort für Scheide. « Vor ihm ist einfach kein Witz sicher. Er ist ein Mann, der im Fall äußerster Erregung »Schande« ruft, Autofahrern die Faust zeigt und ihnen ein aus tiefstem Herzen kommendes »L. M. A. A. « hinterherschickt. Obwohl ich ihn nie fluchen gehört habe, scheinen er und mein Bruder eine Verständigungsebene gefunden zu haben, die sich allen anderen entzieht.
    Mein Vater redet gern über Geld. Es auszugeben interessiert ihn absolut

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