Ich ein Tag sprechen huebsch
ich jung war, ging ich ins Kino im nahe gelegenen Einkaufszentrum, um mir einen Film über einen sprechenden Volkswagen anzusehen. Ich glaube, der kleine Käfer richtete allerlei Unheil an, aber ich bin mir nicht mehr sicher, da der Film genauso belanglos wie der ganze Nachmittag war und beide längst verblasst sind. Hugh sah den gleichen Film ein paar Jahre später. Seine Familie hatte mittlerweile den Kongo verlassen und lebte in Äthiopien. Hugh hatte den Film genau wie ich alleine an einem Wochenendnachmittag gesehen. Anders als ich aber war er zwei Stunden später aus dem Kino gekommen und hatte am Rande des gepflasterten Parkplatzes einen Mann aufgeknüpft an einem Telefonmast baumeln gesehen. Keiner der Kinobesucher schien sich an dem Toten zu stören. Sie warfen einen kurzen Blick auf den Leichnam und machten sich dann auf den Heimweg, sich gegenseitig versichernd, noch nie etwas so Verrücktes wie einen sprechenden Volkswagen gesehen zu haben. Sein Vater hatte sich verspätet, so dass Hugh eine ganze Stunde dort gestanden und den Aufgeknüpften im Wind hin- und herbaumeln gesehen hatte. In der Zeitung stand kein Wort von dem Vorfall, und als Hugh die Geschichte seinen Freunden erzählte, sagten sie nur: »Warst du in dem Film mit diesem sprechenden Auto?«
Auf die Fliegen und primitiven Kinos hätte ich gern verzichtet, aber ich hätte nichts dagegen gehabt, in einem Haushalt mit einer ganzen Schar Diener aufzuwachsen. In North Carolina war es nicht unüblich, dass einmal in der Woche eine Putzhilfe kam, aber Hughs Familie hatte Hausburschen, ein Wort, das meine Phantasie immer wieder entflammt. Sie hatten Köche und Fahrer, und Wächter, die in einem Wächterhaus wohnten und mit Macheten bewaffnet waren.
Ich hatte meinen Eltern regelmäßig mit der Anschaffung eines elektrischen Zauns in den Ohren gelegen, aber die Sache mit den Wächtern leuchtet mir als Krönung in Sachen stiller Vornehmheit sofort ein. Schutzmaßnahmen erwecken den Eindruck, man sei bedeutend. Von der Regierung bezahlte Schutzmaßnahmen sind noch besser, da sie den Eindruck vermitteln, die Sicherheit der eigenen Person sei außer für einen selbst auch für andere von Interesse.
Hughs Vater war Beamter im US-Außenministerium und wurde jeden Morgen von einem schwarzen Sedan zur Botschaft kutschiert. Er will mir weismachen, das alles sei weit weniger aufregend gewesen, als es klingt, aber in puncto Spaß für die ganze Familie bin ich mir ziemlich sicher, dass es das Sackhüpfen auf dem IBM-Sommerfest um Längen schlägt. Schon mit drei hatte Hugh einen eigenen Diplomaten-Pass. Was für andere gelten mochte, galt für ihn nicht. Keine Strafzettel, keine Verhaftungen, keine Gepäckkontrollen: Er war offiziell dazu befugt, sich wie ein verzogener Bengel aufzuführen. Da man es von ihm als Amerikaner geradezu erwartete, wäre es undankbar gewesen, der Welt gelegentliche Wutanfälle vorzuenthalten.
Auch wenn sie nicht reich war, machte Hughs Familie die fehlende Finanzkraft mit jener Art Exotismus mehr als wett, die auf Cocktail-Partys Wunder wirkt und immer auf die Bemerkung hinaus- »Das klingt ja faszinierend. « Ein Kompliment, das einem selten zuteilwird, wenn man von einer Jugend erzählt, die man damit zubrachte, EisLimonade im Einkaufszentrum von North Hills zu trinken. Nie schlängelte sich eine fünf Meter lange Python über das Basketballfeld auf unserem Schulhof. Ich flehte, ich betete Nacht für Nacht, aber es passierte einfach nicht. Genauso wenig durfte ich Zeuge von einem Militärputsch sein, bei dem Gefolgsleute des Oberst mitten in der Nacht meinen unmittelbaren Nachbarn ermordeten. Einmal war Hugh im Jugendklub von Addis Abeba gewesen, als plötzlich der Strom ausfiel und Soldaten das Gebäude evakuierten. Er und seine Freunde mussten auf einen Jeep springen und sich auf der Fahrt nach Hause unter Decken verstecken. Aus irgendeinem Grund ist die Sache in seinem Kopf hängengeblieben.
Zu meinen Erinnerungs-Highlights gehört das Foto mit Onkel Paul, dem blinden Moderator einer Kindersendung in Raleigh. Eins von Hughs Highlights ist die Aufnahme, die ihn zusammen mit dem Astronauten Buzz Aldrin auf der letzten Etappe seiner Welt-Tournee zeigt. Der Mann, der auf dem Mond spazieren ging, hatte die Hand auf Hughs Schulter und schrieb in sein Autogrammbuch. Der Mann, der mit Schulkindern aus Wake County ein Lied anstimmte, drehte sich beim Klang meiner Stimme um und fragte: »Na, wie heißt du denn, meine kleine
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