Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
Vom Netzwerk:
sagt, »ganz in der Nähe lag«.
    Im dortigen Schulsystem rangierte das Argument der Erreichbarkeit weit über so unwesentlichen Fragen, wie: ob etwas für einen Haufen elfjähriger Schüler geeignet war oder nicht. »Was?« frage ich. »Gab's an dem Tag gerade keine Autopsie im örtlichen Leichenschauhaus? War das Staatsgefängnis einen Tick zu weit weg?«
    Hugh verteidigt seine alte Schule, indem er sagt: »Nun, was ist denn der Sinn von Exkursionen? Doch wohl der, dass man etwas Neues sieht. «
    »Also«, sagt er. »Und wir haben was Neues gesehen.«
    »Technisch gesehen schon, aber... «
    Bei einem ihrer Ausflüge war die Klasse raus aufs Land gefahren, um einem zerfurchten Mann dabei zuzusehen, wie er sich verfaultes Ziegenfleisch in den Mund stopfte und damit ein Rudel wartender Hyänen fütterte. Ein anderes Mal durften sie die blutverschmierten Schlafzimmervorhänge im Palast des ehemaligen Diktators bestaunen. Es gab auch zahmere Ausflüge, zu Textilfabriken und Zuckerraffinerien, aber mein unbestrittener Favorit ist der Schlachthof. Es war kein Großbetrieb, sondern bloß ein kleines, ländliches Unternehmen, das von zwei Brüdern in einem niedrigen Betonbau geführt wurde. Nach einem kurzen Vortrag über Hygienevorschriften wurde ein kleines weißes Ferkel in den Raum getrieben, dessen zierliche Hufe auf dem Betonboden klackerten. Die Klasse bildete einen Kreis, damit alle das Tier sehen konnten, das sich über die allgemeine Aufmerksamkeit zu freuen schien. Es rannte von einem zum nächsten und blickte gerade zu Hugh auf, als einer der Brüder eine Pistole aus der Gesäßtasche zog, sie dem Tier an die Schläfe hielt und wie bei einer Exekution abdrückte. Blut spritzte, einige verängstigte Kinder weinten, während der mit der Pistole sich an den Lehrer und den Busfahrer wandte und ihnen Fleisch von einer frischgeschlachteten Ziege anbot. Wenn ich solche Geschichten höre, kann ich meinen Neid nur mit Mühe unterdrücken. Ein äthiopischer Schlachthof. Manche Leute haben einfach ein unverschämtes Glück. Bei uns in der Grundschule war das höchste der Gefühle ein Ausflug nach Salem oder ins koloniale Williamsburg, in eins dieser restaurierten Ziegeldörfer, wo die Zeit angeblich stillsteht und irgendwer sein Geld als Ausrufer verdient. Jedes Mal gab es einen Hufschmied, einen Trupp umherziehender Patrioten und eine Schar Frauen mit Hauben auf dem Kopf, die Maisbrot und Ingwerkekse feilboten, »nach Großmutters Rezept«. Ab und an kam man auch schon mal an einem Bösewicht vorbei, der seine Zeit im Stockeisen absaß, aber das war auch schon das Aufregendste an der ganzen Sache.
    Selbst wenn einige Ereignisse Parallelitäten aufweisen, war meine Kindheit verglichen mit Hughs unsäglich öde. Als ich sieben Jahre alt war, zog meine Familie nach North Carolina. Als er sieben war, ging Hughs Familie in den Kongo. Wir hatten einen Collie und eine Hauskatze. Sie hatten einen Affen und zwei Pferde, die Charlie Brown und Satan hießen. Ich warf mit Steinen nach Stoppschildern. Hugh warf mit Steinen nach Krokodilen. Die Verben sind die gleichen, aber was die Nomen betrifft, trägt er eindeutig die Palme davon. Für meine Mutter mochte ein ereignisreicher Tag einen Gang zur Reinigung oder einen kurzen Plausch mit dem Kartoffelchipslieferanten beinhalten. Fragte man Hughs Mutter an einem gewöhnlichen Kongo-Nachmittag, was sie den Tag so gemacht habe, erzählte sie von einem Ausflug mit ihrem Frauenklub zu einer Lepra-Kolonie am Stadtrand von Kinshasa. Einen besonderen Grund für den Besuch nannte sie nicht, aber man durfte vermuten, dass es dabei um die Vorbereitungen für einen späteren Klassenausflug ging.
    Infolge seiner Sozialisation kann Hugh im Kino die stumpfsinnigsten Filme sehen, ohne zu bemerken, dass es sich oftmals um einen Aufguss geistloser Fernsehproduktionen handelt. In seinem Teil Afrikas gab es keine Sitcoms mit stoischen Marsmännchen, keine Ölbarone aus der Pampa oder Hausfrauen und Mütter, die der Hexerei abzuschwören versuchten. Alle Jubeljahre traf ein Film in einer verbeulten Blechbüchse ein, das Celluloid von der langen Reise um die Welt zerkratzt und verblichen. Das Kino bestand aus ein paar Dutzend Klappstühlen, die vor einem aufgespannten Bettlaken oder der kahlen Wand eines leerstehenden Schuppens neben der Flugpiste aufgestellt wurden. Gelegentlich verkaufte ein Mann warme Limonade aus einem Pappkarton, aber das war auch schon der einzige Luxus, den man sich genehmigte.
    Als

Weitere Kostenlose Bücher